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Posted on 3.4.2020

| © Janna von www.KeJasWortrausch.de | "KAZUHISA FUKASE IST EIN MÖRDER!" (Seite 5 | Buchbeginn) Wie abgestumpft bist du beim Lesen? Welche Erwartungen entstehen beim Lesen der ersten Zeilen dieses Buches? Das waren zwei Fragen, die ich mir im Verlauf der Geschichte stellte, denn die Ereignisse sind ruhig erzählt. Nach und nach ergibt sich ein Bild, das nicht so intensiv war, wie ich es erwartet hatte. Dennoch oder genau deshalb, nahmen mich die Worte ein! Direkt zu Beginn ist deutlich, dass der Protagonist, den ich begleiten werde, ein dunkles Geheimnis birgt. Oder ist es eine haltlose Anschuldigung? Diese Frage bleibt lange unbeantwortet und gemeinsam mit Fukase, einem stillen und schüchternen jungen Mann, versuchte ich herauszufinden, wer dahintersteckt. Und warum jetzt, drei Jahre nach der Tragödie!? Fukase lebt zurückgezogen, ist zurückhaltend, doch bei einer guten heißen Tasse Kaffee taut er auf. Seine Leidenschaft, die Herstellung eines gut gebrühten Bohnenkaffees. So lernte er auch seine Freundin Mihoko kennen. Doch eines Tages steht Fukases Freundin vor seiner Tür, in der Hand jene Worte die ihn als Mörder beschuldigen. Er bittet sie rein und schildert von jenem verhängnisvollen Tag von vor drei Jahren. Die Schuldfrage steht früh im Raum, sie wendet sich allen zu, doch alle wenden sich ab. Damals. Und auch heute noch. Fünf junge Studierende, die vor Beginn der Arbeitswelt ein paar Tage miteinander verbringen wollen. Ein aufziehendes Unwetter, ein Auto das von der Straße abkommt. "Ihm war unbehaglich dabei zumute, denn er fand, dass sogar kleine Lügen zu einer Situation führen konnten, aus der man nicht mehr herauskam, ohne großen Schaden anzurichten." (Seite 198) Doch wann ist eine Lüge klein, wann ist sie groß? Wann könnte sie Schaden anrichten? Wer trägt davon einen Nutzen und warum? Es verbergen sich in dieser Geschichte ganz zart eine Vielzahl dieser Fragen. Auf die aufdringlichste wollen Fukase und seine Freunde Antworten, Fukase mehr als sie. Denn er konzentriert sich nicht nur darauf, wer diesen Brief verfasst hat, sondern wer sein verstorbener Freund wirklich war. Es ist kein Krimi, kein Thriller und kein schnelllebiger Roman. Leise arbeitet sich die Autorin vor, wobei auch bei mir viele Fragen entstanden. Hatte ich doch erwartet, dass es sich hier um die Frage nach Schuld handeln wird, nach dem Herausfinden was damals vor drei Jahren geschah. Doch es geht darüber hinaus. Es ist die Suche nach einem Freund, der nicht mehr ist. n der Mitte des Buches ließ meine Neugierde etwas nach, da die Geschichte begann, sich in die Länge zu ziehen. Ebenso war ich zunächst irritiert von dem, was sich hinter diesem Brief verbirgt. Der Ursprung dessen und kleinere Beweggründe, sagen mir auch nach dem Auslesen noch nicht zu. Es ist nicht ganz die Geschichte, die ich erwartet hatte und doch dürfte sie nicht anders erzählt werden. Die Autorin skizziert die Kontraste in denen sich Fukase bewegt, ohne dabei mich als Leserin gezielt darauf hinzuweisen. Er ist ein Genussmensch, er blüht auf, wenn er in seinem Stammcafé sitzt. Er ist ein Mensch, der in der Masse nicht gesehen wird, sobald er jedoch seinen Bohnenkaffee zubereitet steht er im Mittelpunkt. Fukase liebt es, sich mit der Kunst der Kaffeezubereitung zu beschäftigen. Er möchte gar nicht zu eng mit seinem Umfeld befreundet sein und doch fühlt er sich immer ausgegrenzt. Fukase ist ein Mensch der sich selbst noch nicht gefunden hat und sich aufgrund äußere Umstände auf eine Suche mit schwerwiegenden Antworten begibt. Und dann waren da die letzten Zeilen, eine Erkenntnis die schmerzt. Ich glaubte, die Begegnung im Café wäre das Ende der Erzählung. Ein Abschied zwischen Kaffee und Honig. Doch eben dieser Honig wird für Fukase auf immer einen bitteren Beigeschmack behalten! Beide Cover ("Geständnisse" & "Schuldig") sind wunderschön, beide Bücher gehen einer prägnanten Frage nach: Wer trägt die Schuld? Und doch sind die Geschichten darin nicht zu vergleichen, auch wenn sie beide aus der Feder von Kanae Minato stammen. Am Ende finden sich noch einige Anmerkungen der Übersetzerin Sabine Mangold in Bezug verschiedener Hintergründe und Begrifflichkeiten. Beim Lesen habe ich die Informationen nicht gebraucht, um der Geschichte zu folgen, doch dann nochmals das eine oder andere nachlesen zu können, wurde direkt genutzt. Was mir ebenfalls gut an diesem Buch gefiel, war der Erzählwechsel eines Protagonisten. Fukase schildert die Ereignisse aus der dritten Person heraus, doch sobald es um seine eigenen Gedanken und Gefühle geht, wechselt er in die Ich-Perspektive. Für mich passte diese Perspektivänderung hervorragend zum Charakter und der Geschichte. Für mich ist „Schuldig“ nicht ganz so eindringlich wie „Geständnisse“, aber ich bin fasziniert davon, welchen Fragen die Autorin in ihren Büchern nachgeht – ich will mehr von Kanae Minato lesen!

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