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stinsome

Posted on 3.4.2020

»Das Beste am Sterben ist deine Freundschaft.« (S. 306) Bei einem Buch mit dem Titel „Am Ende sterben wir sowieso“ bzw. dem Originaltitel „They both die at the end“ wäre es naiv, ein Happy End zu erwarten. Hinsichtlich dessen ist das Buch unerbittlich, es geschieht kein Wunder, durch das das Unvermeidliche doch noch abgewendet wird – das würde dem Buch auch seine Besonderheit, seine Bedeutung nehmen. Wer sich für den Schmerz und die Tränen wappnet, die am Ende unweigerlich auf den Leser warten, der wird in „Am Ende sterben wir sowieso“ einen wahren Schatz finden. Stellt euch eine Welt vor, in der es einen Todesboten gibt, der euch in der Nacht anruft und mitteilt, dass ihr im Laufe des Tages sterben werdet. Euch rät, euren letzten Tag zu nutzen. Wie würdet ihr ihn verbringen? Als Mateo seinen Anruf erhält, ist er verständlicherweise geschockt. Im Alter von 18 Jahren hat er noch längst nicht genug erlebt, um von einem erfüllten Leben sprechen zu können, vielmehr hält er sein bisheriges Eremiten-Leben für schlichtweg verschwendet. »Der Mensch, den ich am meisten vermissen werde, ist der zukünftige Mateo, der vielleicht etwas lockerer geworden ist und richtig gelebt hat. Es fällt mir schwer, ihn mir genauer vorzustellen, aber ich glaube, dass dieser Mateo neue Dinge ausprobiert […]. Aber ich werde mich nicht mehr in den zukünftigen Mateo verwandeln.« (S. 17) Er ist alleine, als ihn der Anruf erreicht – seine Mutter ist bei seiner Geburt gestorben, sein Vater liegt im Koma und seine beste Freundin Lidia möchte er mit dem Wissen um seinen Tod nicht belasten. Aber da gibt es diese App, die sich „Letzte Freunde“ nennt und bei der er sich anmeldet. Und Rufus kennenlernt. Rufus erhält seinen Anruf, als er gerade den neuen Freund seiner Exfreundin verprügelt, aber so ist er eigentlich gar nicht. Vor einigen Monaten sind seine Eltern und seine Schwester vor seinen Augen gestorben und er ist in einer Pflegefamilie gelandet. Seine Pflegegeschwister, auch die Plutos genannt, sind seine zweite Familie geworden. Aber seine Trauerfeier endet plötzlich damit, dass er sich auf der Flucht vor der Polizei befindet und sich nicht richtig verabschieden kann. Er meldet sich bei der App an, weil er seinen letzten Tag nicht alleine verbringen möchte … und da schreibt ihn Mateo an. Wir verfolgen das Geschehen abwechselnd aus der Sicht von Rufus und Mateo, wobei sich hier und da auch einige Kapitel dazwischenschieben, die aus der Sicht von vermeintlich unbeteiligten Personen geschrieben sind. Anfangs fand ich diese noch recht lästig, weil ich mehr von Rufus und Mateo lesen wollte, aber, als mit der Zeit die Zusammenhänge deutlicher wurden und mich sogar zu überraschen und zu berühren begannen, stellten sich diese als wichtiger Bestandteil des Buches heraus. Alles hängt zusammen und das hat mir stellenweise eine ganz schöne Gänsehaut beschert. Der Ton des Buches ist vorwiegend bedrückend und ich habe an nicht wenigen Stellen mit den Tränen gekämpft. Aber es finden sich auch viele Momente, die einfach nur schön und aufatmend leicht sind, die den Leser zum Lächeln bringen und glücklich machen, weil Mateo und Rufus durch ihre schicksalhafte Begegnung an ihrem letzten Tag auch etwas ganz Wertvolles finden: Ihre Freundschaft. Und sogar ein bisschen mehr. Ja, es gibt eine Liebesgeschichte, aber die ist einen großen Teil des Buches nur unterschwellig durch kleine Andeutungen zu spüren, bis sie schließlich ins Zentrum rückt. Ich habe mich sehr auf diesen Aspekt der Geschichte gefreut, weil ich durch die Andeutungen immer wieder zum Mitfiebern animiert wurde und Mateo und Rufus so sehr ins Herz geschlossen habe. Trotzdem hatte ich meine Zweifel daran, ob eine Liebesgeschichte, die sich an einem einzigen Tag entwickelt, auf den Leser glaubwürdig wirkt. Mein Urteil lautet: Größtenteils. Man spürt die tiefe Verbindung, die starke Freundschaft, die Mateo und Rufus zueinander aufbauen, und man fühlt auch die Funken und die Schüchternheit (vor allem auf Seiten Mateos). Aber die „Liebe“ … tja, das ging vielleicht alles ein bisschen sehr schnell, aber es ist trotzdem unglaublich schön, wie die beiden dieses Gefühl entdecken und miteinander darüber sprechen. »Wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, hätte ich dich geliebt. […] Vielleicht tue ich es sogar schon.« (S. 337) Als ich im Klappentext gelesen habe, dass die beiden „gemeinsam ein ganzes Leben an einem einzigen Tag“ verbringen, habe ich erwartet, dass die Handlung voller abgefahrener Erfahrungen wäre, irgendetwas Gewagtes, Risikoreiches, Dinge, von denen man glaubt, dass man sie einmal im Leben getan haben sollte. Aber so ist es nicht. Eigentlich tun sie kaum etwas Außergewöhnliches und trotzdem ist jedes Erlebnis wichtig, macht ihren Abschiedstag zu etwas Bedeutendem, weil es eigentlich nicht die Erlebnisse sind, die diese besonderen Momente hervorbringen, sondern die Gesellschaft von Personen, die man liebt. Und während man Mateo und Rufus auf ihrem traurigen, aber auch glücklichen Weg begleitet, liegt noch dazu die ganze Zeit eine Spannung in der Luft, weil man natürlich wissen möchte, wie die beiden ihren Tod finden. Kommt es dazu, weil sie einander begegnet sind? Haben die anderen Figuren etwas damit zu tun, aus deren Sicht man hin und wieder liest? Sind die beiden am Ende glücklich? »Vielleicht ist es besser, es an einem Tag richtig gemacht zu haben und glücklich gewesen zu sein, anstatt sein ganzes Leben falsch zu leben.« (S. 340) Mich hat das Ende ganz schön fertig gemacht – ich habe immer noch dieses aufgewühlte Gefühl, bei dem jeden Moment meine Augen überlaufen könnten. Aber nicht nur aus Traurigkeit, sondern auch aus Freude, denn irgendwie hat es Adam Silvera geschafft, dass man neben dem Gefühl, dass Mateos und Rufus‘ Schicksale so unfair sind, auch Hoffnung und Zuversicht verspürt. Man hat das zufriedenstellende und doch drückende Gefühl, dass Mateo und Rufus ihren letzten Tag genutzt, ihn wirklich gelebt haben. Und der letzte Satz … puh. Es ist selten, dass ein einziger Satz so viele verschiedene Emotionen heraufbeschwören kann. Fazit „Am Ende sterben wir sowieso“ ist keine leichte Kost: Es gibt Momente, da tut das Lesen richtig weh, und dann gibt es wiederum welche, die den Schmerz lindern und zum Lächeln bringen. Die Botschaft des Buches ist ganz klar: Lebe dein Leben und verschwende keine Zeit – du weißt (im Gegensatz zu Mateo und Rufus) nicht, wie viel dir noch bleibt. Das Buch ist einfach nur fantastisch und verdient nicht weniger als die volle Punktzahl.

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