stinsome
Ich hatte durch den Prolog befürchtet, dass die Handlung zu schnell vorauszuahnen ist und der große Twist bereits im Prolog offengelegt wird, aber … diese Befürchtung war absolut unbegründet. Ich bin wirklich positiv überrascht und weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie ich meinen Eindruck schildern soll, ohne zu viel zu verraten. Ich versuche es trotzdem, weil das Buch eine Rezension definitiv verdient. Die Autorin hat einen sehr angenehmen, flüssigen Schreibstil, der eine stetig bedrohliche Atmosphäre kreiert, obwohl die Handlung hauptsächlich ruhig und unaufgeregt bleibt. Ich habe mich diesbezüglich ein wenig an „The Woman in the Window“ erinnert gefühlt (was definitiv ein Kompliment ist, denn das Buch gehört zu meinen Lieblingsbüchern): Die Spannung wird nämlich vor allem durch die Angst der Protagonistin erzeugt, die auf den Leser abfärbt. Zwar ist die Handlung für kleine (und am Ende auch für große) Überraschungen gut und die Kapitel enden stets mit einem kleinen Cliffhanger, letztendlich werden die meisten Geschehnisse aber erst beunruhigend durch Stellas Reaktion auf sie. Vor allem die zwei in dem Auto sitzenden Personen sind an sich ja kaum der Rede wert – nachdem sie aber ein paar Tage dort stehen und sich nicht von der Stelle rühren, wird Stella nervös und mit ihr auch der Leser. Dabei würde ich nicht einmal wirklich sagen, dass Stella eine sehr sympathische Protagonistin ist, mit der man aus purer Sympathie mitfühlt und bangt. Gelegentlich gab es doch ein paar Momente, da bin ich mit ihr nicht ganz einer Meinung gewesen, aber letztendlich hat die Autorin es dennoch geschafft, dass man ihre Gefühle teilt – vor allem ihre Wut auf Paul konnte ich so unglaublich gut nachvollziehen: Da durchleidet sie Todesängste und ihr Mann hält es nicht für nötig, früher nach Hause zu kommen. Das hat mich ganz schön aufgeregt. Woraus sich Stellas Angst speist, ergibt sich durch kleine Einblicke in die Geschehnisse aus der Vergangenheit, die Umstände um das Kennenlernen von Paul und Stella und den mysteriösen Unfall. Dabei werden dem Leser nach und nach immer nur kleine Schnipsel hingeworfen, sodass man erst ganz am Ende den vollen Durchblick hat und sämtliche Zusammenhänge begreift. Die Autorin versteht es hierbei, den Leser zum Miträtseln zu animieren und auf falsche Fährten zu locken, weshalb ich am Ende wirklich ganz schön überrascht war. Mit diesem Ausgang hätte ich so überhaupt nicht gerechnet. Es passiert selten, dass mich ein Buch dazu bringt, auf einmal alles infrage zu stellen, aber diesem ist es gelungen. Als sich der Schleier am Ende gelüftet hat, war ich zunächst etwas skeptisch, wie ich zu den Enthüllungen stehen soll. Erst hat sich Unzufriedenheit in mir ausgebreitet, was ich leider nicht näher erläutern kann, weil ich nicht spoilern möchte. Nur so viel: Die Autorin ist da einen recht riskanten Weg gegangen, der bei manchen Lesern auch definitiv nach hinten losgehen könnte. Das war bei mir erst der Fall – dann habe ich aber weitergelesen und auf einmal fand ich die Auflösung ziemlich genial. Sie ist innovativ, gut durchdacht und wirklich überraschend. Vor allem aber ist sie riskant, was auf den letzten Seiten und mit erneutem Lesen des Prologs schließlich doch noch mächtig Eindruck auf mich gemacht hat. Wegen dieses Endes werde ich mir definitiv noch weitere Bücher der Autorin vorknöpfen. Fazit Ich bin sehr positiv überrascht. Trotz recht unaufgeregter, aber durchgehend interessanter Handlung wird eine bedrohliche und beunruhigende Atmosphäre aufgebaut, die einen mit Stella bis zum Ende mitfiebern lässt. Durch kleine Cliffhanger am Ende der Kapitel wird die Spannung stetig hochgehalten, um schließlich mit einem sehr riskanten, überraschenden und genialen Ende aufzuwarten. Wer gerne Thriller liest, die ruhig und ohne Action eine unterschwellige Bedrohung spüren lassen, der ist hier definitiv richtig. Von mir gibt es 4,5 Sterne.