Profilbild von travlinbone_nika

travlinbone_nika

Posted on 2.4.2020

Ist Marc-Uwe Kling ein Verräter seiner eigenen Ideale? Nachdem der gebürtige Stuttgarter es sich zunächst erlaubte seinem Känguru Debüt einen zweiten und dritten Teil folgen zu lassen und damit sein geschaffenes Universum auszuschlachten, soll jetzt auch noch ein Film über die Abenteuer des Beuteltieres erscheinen! Skandalös, und eigentlich Grund genug für Klings fiktiven Mitbewohner, sich die Boxhandschuhe überzuziehen und ihm mit „Kapitalistenschwein“ – Rufen ein paar auf die Rübe zu geben. Doch Obacht, Kinderlein! Die zum Lynchen erhobenen Mistgabeln und Fackeln können wieder weggepackt oder nach Sachsen verkauft werden. Denn mit „Die Känguru Apokryphen“ beweist Kling einmal mehr, dass man es als Fan seiner Arbeit verzeihen kann, dass auch er nur ein Zahnrad der Kapitalismusmaschinerie ist, wenn es doch dafür umso mehr glänzt. Zurück zu den Anfängen Nachdem die Känguru Trilogie mit jedem weiteren Teil zunehmend mehr darum bemüht war, neben lustigen Schlagabtauschen der Protagonisten auch noch eine Geschichte zu erzählen, verzichtet der neueste Teil der Reihe gänzlich auf eine übergeordnete Handlung. Bereits in der Erklärung, worum es sich denn bei der wohl nicht jedem vertrauten Bezeichnung Apokryphen handelt, wird klargestellt, dass es sich hier um eine Aneinanderreihung von Geschichten handelt, die nicht in „chronologischer“, sondern in „lustiger“ Abfolge angeordnet wurden. Nun wirkt dies zunächst, wie der Rückschritt einer mit den ersten drei Teilen verfolgten konsequenten Weiterentwicklung. Schließlich muss man ja, dem Marvel-Credo entsprechend mit jedem neuen Teil noch einen draufsetzen, mehr Action, mehr Romanze, mehr Twists und Knall! Doch in diesem Fall kommt der Verzicht auf das Korsett einer Story Klings Büchlein nur zu Gute. So kann er sich mehr auf das konzentrieren, was insbesondere die ersten beiden Teile so stark machte: die treffsicheren Pointen und absurden Einzelgeschichten, mit gesellschaftssatirischem Nährboden. Denn mehr als noch in den Teilen zuvor steht im Vordergrund des Buches die Reflexion. Kling reflektiert clever über Politik (Flüchtlinge, Datenschutz), künstlerisches Schaffen (sind Satiriker für den Aufschwung der Afd verantwortlich?) und Absurditäten des menschlichen Handelns. Das ist mal plakativer, mal im Gewand einer Metapher, aber überwiegend urkomisch. Bestes Beispiel dafür ist, wenn ein eben noch aggressiver Nazi plötzlich hochtrabend zu monologisieren beginnt, warum er sein Nazi-Dasein an den Nagel hängen sollte. Auch bieten einige Kapitel erneut sehr viel Potenzial für Insider, die sich die Fans dann wieder untereinander an den Kopf werfen können. „Wissenschaftler aus Schweden haben in geheimen Akten herausgefunden“ könnte beispielweise das neue „ist doch alles Hähnchen“ werden. Und Klings Einführung des „Open Schnicks“ wirkt wie der Bruder im Geiste der falsch zugeordneten Zitate. Auch hierbei handelt es sich um eine einfache aber ebenso geniale Idee, die aber wohl nicht ganz so viel Kultcharakter entwickeln wird, wie der Kalender und Spiele hervorbringende Vorgänger. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber dennoch: mit gerade einmal 208 Seiten ist das Buch nur halb so lang wie sein Vorgänger, so dass es selbst ein Literatur-Verweigerer wie ich schaffte, das Ding in zwei Tagen durchzulesen. In einem einfachen Satz: Kling hat mal wieder „goile Scheiße“ abgeliefert. Die Känguru Apokryphen ist der beste Beweis dafür, dass „Fanservice“ hin und wieder zu Unrecht negativ konnotiert ist. Natürlich kann man ihm vorwerfen, seine Reihe auszuschlachten und nicht loslassen zu können. Aber ist das wirklich schlimm, wenn auch seine Fans das offensichtlich gar nicht wollen? Kann man nicht akzeptieren, dass Kling sich eben auch den Regeln des Kapitalismus unterwerfen muss, wenn er dafür aber innerhalb dieser Regeln qualitativ hochwertige Ware liefert? Kling scheint sich dieses Problems bewusst zu sein, es wird in gleich zwei Kapiteln zum Thema. Ich jedenfalls sehe nach diesem Werk auch der Verfilmung zuversichtlich entgegen, in der Überzeugung, dass er es auch in diesem Medium vollbringt, ein dem Geiste des Kängurus entsprechendes Endprodukt zu liefern. Und so schließe ich mit einem Zitat: Don´t hate the player. Hate the Game. – Hasbro

zurück nach oben