FrauFrohmann
Meine Wertung ist eigentlich 3,5 Sterne, aber bei Autorinnen runde ich lieber auf als ab. Ich habe mit diesem Buch gekämpft, beim ersten Versuch hat es mich sehr ermüdet und ich habe aufgehört, beim zweiten Mal war es ähnlich, aber ich habe weitergelesen. Nach gut einem Drittel fing ich an, es irgendwie zu mögen. Und jetzt nach dem Fertiglesen beurteile ich es als ein gutes Buch. Es ist ein hundertprozentiger Feuilletontitel, bildungsstrotzend, sehr gehobene Sprache, nichts ist einfach so, jede Kleinigkeit ist wie etwas anderes [hier sprachlich schön ausgestalteten Vergleich einfügen]. Handlung ist nicht so das Ding dieses Romans – ich persönlich mag Handlung ja schon ganz gern. Es gibt sehr viel Blau und Grün und Wolken und Wasser und Naturbeobachtung, aber es nervt nicht. Sehr loben kann ich die nicht übergriffige Darstellung von Fremdarbeitergeschichten, außerdem die äußerst feinsinnige Darstellung von Gesten. Die Autorin zeigt, dass man tatsächlich von fremden Lebenswelten erzählen kann, wenn man sehr behutsam mit den Figuren verfährt und ihnen nicht zu sehr auf oder sogar unter die Pelle rückt. Der Roman hat mein Herz eher nicht berührt, aber ich habe ihn mit großem Metagewinn gelesen, weil ich sehr viel darüber nachdenke, wer über welche Themen schreiben kann bzw. ob – zumindest aktuell – jede*r über alles schreiben sollte. Außerdem mag ich, dass eine Autorin ein Buch geschrieben hat, das männlichen Literaturkritikern gefällt, ich verstehe, warum das so ist und es ist nicht verkehrt. Also alles sehr komplex. Ich empfehle das Buch Leuten, die vor allem an poetischer Sprache interessiert sind bzw. theoretisch über Literatur nachdenken. Es ist weniger geeignet, wenn man gerade verzweifelt versucht, in der Quarantäne endlich mal wieder ein Buch zu lesen.