stinsome
Bei diesem Buch wusste ich lange Zeit nicht, wie ich es am Ende bewerten würde, weil sich meine Meinung während des Lesens immer wieder verändert hat. Es handelt sich nicht um einen Thriller, bei dem man stetig unter Hochspannung steht und eine Aktion die nächste jagt, aber man kann auch nicht davon sprechen, dass es nicht durchgehend spannend ist, denn obwohl es handlungstechnisch eher ruhig ist lauert doch die ganze Zeit eine unbestimmbare Gefahr unter der Oberfläche. Man wird von der mysteriösen, geheimnisvollen Stimmung eingesogen und hat den ständigen Drang, weiterzulesen, weil man wissen möchte – nein, weil man wissen muss (!) – was sich in der Vergangenheit zugetragen hat. Neugierig macht schon die interessante Unterteilung des Buches in fünf Abschnitte – die fünf Phasen einer totalen Sonnenfinsternis. Sonnenfinsternisse spielen in diesem Thriller eine große Rolle, denn sie sind in Kits und Lauras Leben ein wichtiger Bestandteil und die einzige Sicherheitslücke. Das Paar hat sich mitsamt Namensänderung und Ortswechsel ein neues Leben aufgebaut, aber ihre Leidenschaft und ihr Interesse für Sonnenfinsternisse führt sie immer wieder an Orte, an denen Beth sie finden kann, denn sie weiß von diesem Interesse. Trotz dieser Ausgangssituation macht sich Kit zu Beginn des Buches auf die Jagd nach der nächsten Sonnenfinsternis und lässt seine mittlerweile schwangere Frau Laura schweren Herzens zurück. Schon hier setzt die unbehagliche Stimmung des Buches ein, denn das kann eigentlich nicht gutgehen. Die Autorin lässt uns abwechselnd in die Vergangenheit und die Gegenwart eintauchen, mal aus Lauras, mal aus Kits Sicht lesen und wir erfahren dabei nach und nach, was sich damals zugetragen hat, obwohl erst in der Gegenwart alles klar scheint. Die Vergangenheitsszenen haben mir zwei Drittel des Buches deutlich besser gefallen als die Gegenwartsszenen, denn Letztere plätschern lange nur unspektakulär vor sich hin und haben deswegen manchmal meinen Lesefluss gestört, weil die brodelnde Spannung, die in der Vergangenheit aufgebaut wurde, in diesen Passagen wieder gedämpft wurde. Das ändert sich aber, je weiter die Geschichte auf das Ende zusteuert. Ich hatte insgesamt dennoch den Eindruck, dass die Autorin manchmal zu weit ausgeholt und zu viele unwichtige Informationen hat einfließen lassen, was das Lesen manchmal etwas träge gemacht hat. Die zahlreichen Details und Erlebnisse zu den Sonnenfinsternissen fand ich jedoch sehr interessant und haben mir auch ein bisschen Lust gemacht, mich mit diesem Phänomen näher zu beschäftigen. Über die manchmal etwas ausufernden Beschreibungen lässt sich meiner Meinung nach hinwegsehen, denn die stetig vorhandene „stille“ Spannung lässt trotzdem zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommen. Die Autorin versteht es, den Leser in Fallen zu locken, ihm immer wieder einen Bären aufzubinden und ihn in Richtungen zu lenken, die weit von der Wahrheit entfernt sind. Am Ende sieht man sich mit einer Wahrheit konfrontiert, die überrascht, die alles auf den Kopf stellt und die die eigene Meinung über das Verhalten mancher Personen rückblickend stark verändert. Man muss seinen Eindruck von den Personen immer wieder revidieren, denn man kann zu keinem Zeitpunkt sicher sagen, wem man trauen kann und wem nicht und wer die Wahrheit sagt und wer nicht. Erin Kelly spielt mit dem Leser und ich für meinen Teil bin ihr immer wieder auf den Leim gegangen. Das wirklich Amüsante an meinem Leseerlebnis war die Tatsache, dass ich eine recht verrückte Theorie während des Lesens aufgestellt habe, an die ich nicht mal selbst wirklich geglaubt habe, weil sie … zu verrückt war. Faszinierenderweise hat sich gerade diese als wahr herausgestellt, wurde von der Autorin aber noch mit Elementen ausgeschmückt, die diese Theorie glaubwürdig und nachvollziehbar machten. Anderenfalls hätte mir diese Wendung wohl nur ein ungläubiges Lachen entlockt. Es war eine Wendung, mit der man wohl nicht wirklich (nicht ernsthaft jedenfalls!) rechnet, die das Buch aber brauchte, um bleibenden Eindruck zu hinterlassen und das ist der Autorin bei mir auch gelungen. Fazit Insgesamt ein handlungstechnisch ruhiger, aber trotzdem spannender Thriller, der manchmal etwas zu weit ausholt, aber überraschende Wendungen, schwer einzuschätzende Charaktere und eine Vielzahl an Geheimnissen bietet, die das Lesevergnügen hochhalten. Mir fehlte zwar das gewisse Etwas, das mich völlig vom Hocker haut, aber ich fühlte mich sehr gut unterhalten und wurde überrascht. Von mir gibt es eine Leseempfehlung für diejenigen, die mit ruhigen Thrillern, bei denen wenig Action, aber stetiges Miträtseln angesagt ist, etwas anfangen können. Ich vergebe 4 Sterne!