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stinsome

Posted on 2.4.2020

Stell dir vor, du lebst in einer Welt, in der Frauen unterdrückt und erniedrigt werden und nicht das Recht haben, freie Entscheidungen zu treffen. Sie dürfen nicht lesen. Sie dürfen sich nicht ihren Beruf, nicht ihren Ehemann und nicht ihre Zukunft aussuchen. Manche von ihnen werden zur Grace erzogen, um dem Regenten oder dem Thronfolger zu dienen und diesem eventuell auch Kinder zu schenken. Für diese Aufgabe wird ihnen von Kindheit an Tanzen, Stricken, gute Manieren und Gehorsam beigebracht. Serina ist eine solche „Auserwählte“. Sie ist anmutig und schön und wird deshalb von ihrer Mutter schon früh auf diese Aufgabe vorbereitet. Ihre Schwester Nomi dagegen übernimmt den Haushalt und soll ihre Zofe werden, sollte sie zur Grace erwählt werden. Während alle Aufmerksamkeit der Familie auf Serina liegt, rebelliert Nomi mit ihrem wilden, unerschrockenen Gemüt im Stillen. Sie lässt sich von ihrem Zwillingsbruder lesen beibringen und möchte sich mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft nicht zufriedengeben. Am Tag der Auswahl des Thronfolgers wird jedoch Serinas und Nomis Welt komplett auf den Kopf gestellt, denn auf einmal tauschen sich die Rollen, obwohl keines der beiden Mädchen auf ihre neue Rolle vorbereitet wurde. Und als wäre das nicht schlimm genug, werden die Schwestern auseinandergerissen und finden sich beide in ihrer ganz eigenen Art von Hölle wieder. Was ist schlimmer? Den Launen und Wünschen des Thronfolgers gnadenlos ausgeliefert zu sein oder auf der Gefängnisinsel, dem Berg des Verderbens, um sein Überleben zu kämpfen? Der Schreibstil liest sich trotz seiner zahlreichen, bildhaften Umgebungsbeschreibungen sehr angenehm und flüssig, sodass die Seiten nur so dahinfliegen und sich laufend ein Kopfkino einstellt. Ich wurde schnell in die Welt gesogen und hatte beim Lesen viel Spaß, da die Spannung stetig hochgehalten wurde, indem unterschwellig – egal, ob man aus Serinas oder Nomis Sicht las – ständig Gefahren vor sich hin brodelten. Immer wenn die eine Sicht endete, ärgerte ich mich, dass ich dort nicht weiterlesen konnte – aber schon wenige Seiten später wurde ich wieder von der anderen Sicht gefangengenommen und das Ganze wiederholte sich. Das ging eigentlich die ganze Zeit so. Keine der beiden Sichten musste hinter der anderen zurückstecken. Im Zentrum des Buches steht die Rolle der Frau und wie sich unsere Protagonistinnen in diese einfügen – oder eben auch nicht einfügen. Dafür hat Tracy Banghart zwei Charaktere geschaffen, die zu Beginn des Buches kaum unterschiedlicher sein könnten. Serina wurde seit sie denken kann zu Gehorsam und Demut erzogen, lehnt das rebellische, revolutionäre Denken ihrer Schwester ab und ist der Ansicht, dass es keinen Sinn hat, sich gegen die vorherrschenden Umstände aufzulehnen. Sie möchte zur Grace werden, um ihrer Familie ein besseres Leben zu ermöglichen, und würde alles für die Menschen, die sie liebt, tun. Nomi ist das exakte Gegenteil von ihr, denn sie senkt nicht demütig den Blick, sagt die Dinge, die ihr durch den Kopf gehen und möchte die ihr zugedachte Rolle in der Gesellschaft nicht akzeptieren. Ihr Temperament lässt sie nicht selten unüberlegt und impulsiv handeln. Obwohl es ihr widerstrebt, muss sie sich im Palast anpassen, denn ein falsches Wort könnte sie schnell den Kopf kosten. Obwohl ich Nomi anfangs mit ihrem unerschrockenen Auftreten interessanter fand, war es Serina, die mich im Laufe des Buches mit ihrer Entwicklung überrascht hat und zu meinem Lieblingscharakter wurde. Sie findet ihre Stärke und stellt Nomi damit langsam aber sicher in den Schatten. Von den anderen handelnden Figuren schließt man manche ins Herz, andere wiederum wandeln sich im Laufe der Zeit und verändern das Bild, das man von ihnen hat, und wiederum andere – und das ist leider der Großteil der Charaktere – bleiben blass und nicht greifbar. Vor allem bei den männlichen Personen, die eine größere Rolle in dem Geschehen einnehmen und auch Teil der verschiedenen Liebesgeschichten sind, hatte ich dauernd das Gefühl, meine Meinung über sie immer wieder revidieren zu müssen. Mal erfüllte mich unbändige Sympathie für sie, mal Unbehagen und nahezu durchgängig Misstrauen, weil man sich nie sicher sein konnte, wer auf der guten und wer auf der bösen Seite steht. Ob überhaupt eine Gefahr von ihnen ausgeht. Während Asa, der jüngere Bruder des Thronfolgers, mir mit seiner freundlichen, amüsierten Art und seinen Reaktionen gegenüber Nomis rebellischem Auftreten sehr positiv aufgefallen ist, umgab den Thronfolger Malachi immer ein Fragezeichen. Erst wirkt er in seiner Wut durch Nomis Verhalten fast schon unsympathisch, dann wirft seine Art doch immer wieder Rätsel auf. Er war weder nett noch bösartig, er war verwirrend und deshalb seltsam interessant. Die Brüder, die sich von ihrem Aussehen so stark ähneln, sind charakterlich wie Tag und Nacht und man stellt sich ständig die Frage: Gibt es hier einen bösen und einen guten Bruder oder lauert die Gefahr ganz woanders? Nomi findet sich in einer Mehr-oder-weniger-Dreiecksbeziehung zwischen den beiden Prinzen wieder, während Serina ihr Love Interest in ganz anderen Reihen findet. Um nicht zu viel zu spoilern, belasse ich es dabei, dass ich diesen jungen Mann sogar am meisten mochte, obgleich er leider eine der Figuren ist, die sehr blass bleiben. Die Liebesgeschichten haben mir Freude bereitet und nahmen auch keine vordergründige Rolle in dem Geschehen ein. Obwohl sie sich zu schnell entwickelten und die Autorin sich mehr Zeit hätte lassen müssen, um die Gefühle nachvollziehbar aufzubauen, hielten auch die Liebesgeschichten die Spannung hoch, denn gewöhnlich oder unspektakulär war keine davon. Mit Tracy Bangharts starken Frauenfiguren springt die Botschaft des Buches einen nahezu an: Dass man kämpfen und sich nicht unterwerfen lassen sollte. Dass jeder das Recht haben sollte, freie Entscheidungen treffen zu dürfen. Dass Frauen stark und nicht weniger wert sind als Männer (und umgekehrt!). Bei dem Kampf der Schwestern, diese Ansicht in die Welt hinauszutragen, lässt es sich – trotz einiger Schwächen des Buches wie mangelnde emotionale Bindung zu den meisten Charakteren und leichte Vorhersehbarkeit – nicht anders als mitzufiebern und Nomi und Serina auf ihrer Entwicklung gespannt zu begleiten. Fazit Tracy Banghart hat mit Iron Flowers – Die Rebellinnen einen fesselnden Reihenauftakt mit starken Frauenfiguren und viel Spannung geschaffen, der mir viel Spaß gemacht hat. Einige Schwachstellen gibt es, die mich hindern, die volle Punktzahl zu geben, aber Iron Flowers kann sich in dem Genre definitiv sehen lassen. Ich vergebe 4 Sterne und freue mich schon auf den zweiten Band, da es wohl keinen fieseren Cliffhanger hätte geben können.

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