stinsome
»Unser ganzes Leben ist ein einziger Haufen unvollkommener Momente.« (S. 241) Als ich die Leseprobe zu diesem Buch las, dachte ich mir: Hey, cool! Ein neues Jugendbuch, das von ernsteren, traurigen Tönen zu lockeren, witzigen hin und her springt. Eine Liebesgeschichte mit traurigem Hintergrund, aber einer sarkastischen Protagonistin! Solche Bücher liebe ich nämlich. »Tessie, du gehst jetzt in dein Zimmer und ziehst dir eine richtige Hose an.« »Wie bitte? Eine richtige Hose?« »Du weißt schon, was ich meine. Eine hosige Hose eben.« (S. 71) Hinsichtlich dieser Einschätzung habe ich mich bei dem Buch auch nicht getäuscht, aber … ich habe doch mehr erwartet. Zunächst einmal steht die Liebesgeschichte nicht im Vordergrund. Das ist an sich ja nichts Schlimmes, aber hier wurde sie dadurch irgendwie „wirklich“ unbedeutend und nebensächlich – ich konnte mich nicht für sie begeistern. Was schade ist, weil ich beim Lesen des Klappentextes sogar gedacht habe, dass wir hinsichtlich dessen Großes erwarten können. Stattdessen geht es vielmehr um sehr düstere Themen wie Selbstmord, Trauer und dem Umgang mit dieser. Ernste Themen, die für mich aber unzufriedenstellend behandelt wurden. Nicht nur die Liebesgeschichte, sondern die ganze Story erschien für mich irgendwie belanglos. Tess setzt sich mit ihrer Trauer auseinander (oder auch nicht), indem sie die Schule abbricht und schließlich ihrem Vater in seinem unkonventionellen Bestattungsunternehmen zur Hand geht (zu Beginn des Buches schickt er die Überreste eines Hundes mit einer Rakete in den Weltraum). Wir begleiten Tess also auf ihrem Weg zu verschiedenen Kunden, erfahren die Geschichte der Verstorbenen und erleben mit, wie deren ungewöhnliche, aber persönliche Beerdigungen ausgerichtet werden. Ich muss sagen: Das fand ich eher weniger spannend, fast schon langatmig, weil ich keine tiefere Message mitnehmen konnte. Die Handlung dümpelt so ein bisschen vor sich hin. Die Nachrichten, von denen im Klappentext die Rede ist, sind am Anfang noch sehr präsent, dann irgendwann gar nicht mehr vorhanden, weil sich erstaunlich schnell persönlich getroffen wird und dann geht es vor allem um Tess‘ persönliche Trauerbewältigung. Es war alles so … na, wie soll ich es sagen? Unspektakulär! Die Idee hätte viel viel mehr hergegeben. So war es irgendwie keine Geschichte, die unbedingt hätte niedergeschrieben werden müssen, so heftig es auch klingt. Mir fehlten ganz klar die großen Gefühle, das Mitfühlen und -leiden – einfach die Seele in jedem Wort. Ich wurde stellenweise zum Schmunzeln gebracht, aber nicht berührt. Einfach auch, weil die Charaktere dafür nicht gut genug ausgearbeitet waren. Abschließend finde ich, dass wir im Deutschen außerdem um den berührenden Originaltitel betrogen wurden. „Things I’m Seeing Without You“ heißt das Buch eigentlich und man erfährt schon zu Beginn der Geschichte, wieso es diesen Namen trägt. Meiner Meinung nach steckt in diesem Satz einfach viel mehr Gefühl und er trifft den Gedanken des Buches besser… Fazit Ich bin leider relativ enttäuscht von dem Buch, weil ich einfach mehr erwartet habe. Ich musste mich nicht zum Lesen zwingen, aber richtig gefesselt war ich auch nicht, weil die Handlung bloß vor sich hinplätscherte und große Gefühle auf der Strecke blieben. Deshalb nur 2,5 Sterne von mir.