Profilbild von fantafee

fantafee

Posted on 31.3.2020

Es ist ein heißer Sommer in Heilbronn, das ja nicht für seine Schönheit bekannt ist, aber Kemal, 21 Jahre ist Deutschtürke und liebt auch die häßlichen Seiten seiner Stadt. Es brodelt in diesen Tagen. Mit dem Ruf "Heilbronn, wach auf!“ scharen sich Rechtsradikale zusammen und zeigen ihren Hass auf Ausländer unverhohlen. Dass da ein Echo nicht ausbleibt ist klar. Wir begleiten Kemal an zwei Tagen und drei Nächten, sehen was er sieht und hören seine Gedanken dazu. Wir erfahren dabei auch viel von seinem Leben. Wie er als Gastarbeiterkind in Heilbronn aufwächst, seine große Liebe Sina trifft und wieder verliert, lernen seine Familie und Freunde kennen, erfahren wie sein Fußballtalent entdeckt wird und er eine vielversprechende Fußballkarriere in der Türkei beginnt. Ein schlimmer Unfall beendet das alles abrupt. Er ist komplett aus der Bahn geworfen, sein Leben ist ein Trümmerfeld. So läuft er einsam und desillusioniert durch die Straßen Heilbronns und wir sehen und fühlen mit ihm. Auch wenn er antriebslos scheint, möchte er sich nicht von anderen vereinnahmen lassen. Er will ein neues (wahres) Leben beginnen, am liebsten mit seiner Liebe Sina. Er weiss noch nicht wo und wie, aber das ist sein Fixstern. Die Sprache ist jung, die Sätze sind kurz und schnörkellos. Immer wieder bringt einen der Humor zwischen den Zeilen zum Schmunzeln. Ganz so, als säße Kemal direkt vor einem. Ich mochte den Kerl, auch wenn er gerade einen Durchhängen hat. Mit der türkischen Hochzeit zu Beginn und dem anschließenden Gang durch die Straßen Heilbronns, hatte mich die Story sofort an der Angel. Ohne Zweifel, der Autor Chian Acar ist ein guter Erzähler. Ich habe das Buch mit viel Freude gelesen. Nur der Showdown auf der Theresienwiese /Allee hat mich irgendwie verwirrt? aus der Bahn geworfen? Hier fand ich Kemal nicht immer authentisch. Der Schluß, die letzten 10 Seiten, haben mich aber wieder versöhnt. Sowieso, alle Szenen/Dialoge mit dem Auto und die mit Sina, ja die habe ich geliebt. Fazit: Ein Buch über das Nicht-dazu-gehören-(wollen), für die Dazwischen-Menschen oder die Romantiker, die auf dem Wartegleis auf ihren Zug warten. Ein Buch auch über Heimat und die Frage „Wer bestimmt darüber was ich als Heimat empfinde" Es war für mich sehr interessant eine deutsche Geschichte aus dieser Perspektive zu sehen. Auch wenn das Thema nicht lustig ist, die Sprache hatte echt Humor. Und für alle, die Spotify haben gibt es noch eine Playlist von Cihan Acar zum Buch: https://open.spotify.com/playlist/0y0k7rbP0a3gLUegNhMm2O

zurück nach oben