stinsome
Ich wusste, dass es sich bei diesem Buch um den zweiten Band einer Reihe handelt, deren ersten Band ich noch nicht gelesen hatte. Dessen sollte man sich auch bewusst sein, da es einem sonst schnell merkwürdig vorkommen kann, dass gewisse Begebenheiten aus der Vergangenheit als bekannt angenommen und nicht noch einmal näher erläutert oder auch nicht mehr als nur angedeutet werden. Das hat mich oft sehr aus dem Fluss gebracht und ich musste mit sehr vielen Wissenslücken weiterlesen, die sich wohl nur mit dem Lesen des ersten Bandes schließen werden. Sehr positiv muss ich hervorheben, dass der Schreibstil sehr gut ist. Die Autorin malt alles ein bisschen mit ihren Worten, die Beschreibungen der Gefühle fand ich ganz wunderbar, das ist ein wahres Talent. Und das alles ohne abzuheben und zu kompliziert zu werden, dass man zu viel nachdenken muss oder aus dem Lesefluss gerät, man fliegt wirklich über die Seiten. Leider endet es für mich hier schon was die positive Aspekte angeht, denn alle Charaktere bleiben sehr flach. Man erfährt nahezu gar nichts über sie, was vermutlich daran liegt, dass man sie schon im ersten Band näher kennengelernt haben sollte. Ist dies nicht der Fall, dann hat man hier eben Pech. Auch über die Charaktere, die man neu kennengelernt hat, nämlich die, die als mögliche Täter infrage kommen, erfährt man auch nicht genug, als dass man am Ende bei der Auflösung zufriedengestellt wäre. Mir hat hier eine etwas ausführlichere Darstellung gefehlt, um alles vollkommen nachvollziehen zu können. Vieles wurde auch vorher nur gemutmaßt und dann nicht nochmal in den Fokus gerückt, da es ja schließlich schon mal erwähnt worden war… Überraschend fand ich, dass mich der Perspektivenwechsel gestört hat. Normalerweise mag ich so etwas sehr, hier jedoch hat es für Verwirrungen und Chaos gesorgt. Mulders Sicht hat mich größtenteils gelangweilt, auch wenn diese wohl teilweise unverzichtbar war, um zumindest einen kleinen Einblick in sein Leben zu erhaschen. Naja. War nicht so meins. Aber der absolut größte Kritikpunkt ist, dass der Fall für mich relativ vorhersehbar war. Ich meine es vollkommen ernst, wenn ich sage, dass ich schon ganz am Anfang wusste, auf welchen Täter es hinausläuft (das Motiv kannte ich natürlich nicht - dahingehend war das Buch doch für Überraschungen gut). Umso nerviger fand ich es, dass immer wieder unnötige Fährten aufgetaucht sind, die einfach nur da waren, um es nicht ZU offensichtlich zu machen. Immer wieder Zweifel zu wecken ist ja schön und gut, aber nicht, wenn es dann doch wieder auf den eigenen Anfangsverdacht hinausläuft und das Buch nichts Neues für einen parat hält. Hier war auch Tonis voreingenommene Art für mich ein Dorn im Auge. Sie hat zwar immer wieder beteuert, dass sie zu Objektivität in der Lage wäre, und war immer enttäuscht und wütend, wenn das von jemandem angezweifelt wurde, aber diese Zweifel waren absolut begründet. Sie hatte sich zu Anfang auf ihren einen Verdacht versteift (ich auch, aber hey, ich bin keine Polizistin!) und alle anderen Verdächtigen aus dem Blick verloren. Noch dazu ihr unprofessionelles Verhalten in einer Vernehmung… das sah für mich nach ihrer persönlichen Rache aus. Weil sie sich nicht an Mike rächen konnte, hielt eben ihr „Lieblingstatverdächtiger“ dafür hin. Uff! Fazit Ich bin nicht sonderlich begeistert von dem Buch, ganz im Gegenteil: Ich bin enttäuscht. Ich dachte, mein erster Verdacht löse sich mit der Zeit in Luft auf und ich werde noch überrascht – ich hatte zwar zwischenzeitlich so meine Zweifel, aber lag letztendlich doch richtig. Schade. Muss man wirklich nicht lesen, da gibt es Besseres. Und wenn doch, würde ich empfehlen, den ersten Band zuerst zu lesen – vielleicht wirkt es dann besser, wenn man die Figuren schon kennt. Ich werde dem ersten Band wohl auch eine Chance geben, weil der Schreibstil wirklich sehr gut war. Deswegen - und weil es hin und wieder trotzdem spannend war - auch 3 Sterne. Sonst wären es wohl weniger geworden.