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gwyn

Posted on 30.3.2020

Der Anfang: «In meinen gloriöseren tagen bin ich ziemlich lunar gewesen und wahnsinnig rastlos, in den gliedern krachend u griffig im wipfel wild, es rauschte, ich genoss und litt zeitgleich immerzu ich lachte harsch … und stach zu es platzte, es stank, ich sank, ich ging aus, circa in der mitte bin ich entzweigebrochen und nicht wieder heilgeworden. Was ist das für ein Buch? Man könnte sagen, ein langes Gedicht. Das wäre nicht treffend, ein Poetry Slam ist es auf jeden Fall. Und wenn man ein Gefühl für den Text bekommen möchte, muss man sich Zeit lassen, in Ruhe lesen, am besten 3-5 Mal. Maren Kames hat hier einen besonderen Text geschaffen. Düster, schwarz – trotz «pink, pink, pink, pink, pink moon», depressiv bis mitten ins Herz, Prosa aus dem Bauch heraus – aber geschliffen in der Abfassung. Novalis fiel mir dazu ein, ein wenig Rilke, eine Stimme, die immer wieder unterwegs nach der Mutter ruft, einen Schild um sich ausbreitend, unter dem Ängste liegen, unter dem es brodelt. Und irgendwo auf der Reise hat sie ihren Schuh verloren. Wo nur? Weiße Buchstaben auf schwarzem Papier – hochwertig – ein in Leinen gebundenes Buch, das dem Text ein königliches Auftreten gibt. «ganz perdu bin ich gewesen, wirklich ganz schlecht beieinander bin ich gewesen und alles ist mir also abhanden gekommen» Es ist ein Text, der den Leser berührt, schwer zusammenzufassen. Und dazu gibt es endlich einmal einen guten Klappentext, der es besser zusammenfasst, als ich es kann: «Es geht um die dünne Wand zwischen Traum und Trauma, um dünne Haut, um eine Gans aus Pappmaché und den Bären, den sich eine aufbindet, um sich gegen den Wind zu schützen. Ums Verlieren und Verletzen geht es. Um einen Krieg, der vielleicht nie stattgefunden hat und doch in jeder Pore präsent ist.» Ein sehr lesenswerter Text, der noch lange nachhallt. Tieftrauriges Kopfkino, durchmischt mit Popsongs – was ist real, was sind Gedanken? Maren Kames wurde 1984 in Überlingen am Bodensee geboren, studierte Kulturwissenschaften, Philosophie und Theaterwissenschaft, danach am Institut für Literarisches Schreiben in Hildesheim. Für ihr vielbeachtetes Debüt »Halb Taube halb Pfau« wurde sie mit dem Düsseldorfer PoesieDebütPreis und dem Anna Seghers Preis ausgezeichnet. 2017 erhielt die den Kranichsteiner Literaturförderpreis, 2019 war sie Stipendiatin der Villa Aurora in Los Angeles. Sie übersetzt Theaterstücke und Essays von Sivan Ben Yishai und lebt in Berlin. Mit «Luna Luna» steht sie auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse.

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