Ladybug
Ein weises, wundervolles Buch! Chiara liebt ihr Häuschen in einem Vorort von Rom, ihren Mann und ihren Job. Doch all das verliert sie, als sie ihrem Mann zuliebe in eine Wohnung mitten in Rom zieht. Für Chiara ist das zu viel, sie weiß nicht, wie sie die Scherben ihres Lebens sortieren und wieder zu einem Ganzen zusammensetzen soll. Sie sucht Hilfe bei Dr. T., ihrer Therapeutin. Diese schlägt ihr ein Experiment vor: Chiara soll einen Monat lang jeden Tag für zehn Minuten etwas tun, das sie noch nie getan hat. Chiara darf keinen einzigen Tag auslassen. Und das ausgerechnet vom dritten Dezember an, also in der Vorweihnachtszeit und über den Jahreswechsel hinaus. Das klingt so banal und nach „typisch Frauenbuch!“. Ist es aber nicht. Dieses Buch ist einfach wunderbar, zauberhaft, bewegend und aufbauend – es ist ein ganz besonderes Buch! Die Autorin vermeidet im kompletten Buch, gewisse Namen – darunter den ihres Ex-Mannes – zu nennen. Das stört den Lesefluss kein bisschen und gibt dem Buch sogar noch mal eine zusätzliche besondere Note. Die Protagonisten haben fast ausschließlich nur Vornamen – darunter so einige, die man als Nicht-Italiener schwer behalten kann (zumindest geht es mir so). Dennoch reißt die Autorin den Leser mit ihrem Buch einfach mit. Außerdem lässt es stark vermuten, dass die Story tatsächlich autobiografisch angelegt ist. Dafür spricht auch, wie wunderbar selbstironisch und auch ironisch das Buch stellenweise ist. Auch wenn ich wohl als einzige davon überzeugt bin, dass die Autorin wirklich über sich selbst schreibt, bleibe ich dabei. So oder so – ich liebe es! Kein wehleidiges Gejammer, kein überschwängliches Darüberhinwegspielen – Chiara Gamberale erzählt in ruhigem Ton einfach das, was sie/Chiara erlebt hat, wie sie es erlebt hat und wie eins zum anderen kam. Die dreißig Einfälle, was sie tun kann, das sie noch nie getan hat, sind mal witzig, mal kindisch, mal interessant, mal schräg – und ich gebe zu, ich hätte wohl echte Schwierigkeiten, die Aufgabe zu erfüllen. Es sind kleine Herausforderungen, eine dramatischen Veränderungen, wie beispielsweise eine Bergwanderung im Himalaya oder die Durchquerung der Wüste, sondern Dinge, die sie in ihrem normalen Leben jetzt und auf der Stelle ausprobieren kann. Darüber zu lesen hatte einen interessanten Effekt: ich habe mich innerlich von einigen Einstellungen gelöst, die mir selbst das Leben schwer gemacht hatten. Chiaras Weg hat in mir so vieles verändert, es ist nicht zu fassen. Der Schreibstil ist dabei super eingängig. Man mag gar nicht wieder aufhören zu lesen. Die Menschen, die in Chiaras Leben eine Rolle spielen, sind so unterschiedlich, und doch erkennt man ihre Wichtigkeit. Jeder einzelne beeinflusst auf seine Weise Chiara und ihre Entscheidungen. Ihre vielen kleinen Schritte ergeben am Ende eine lange Reise. Und auf dieser Reise verliert sie ein wenig, gewinnt aber auch sehr viel. Spannung im üblichen Sinne findet man weniger. Es ist eher eine Art Aufregung – man macht sich Gedanken, was Chiara besser tun oder lassen sollte, wohin der Weg nun führen sollte oder auch nicht. Aber das ist eher Neugier denn Spannung. Dennoch stört mich das nicht – ich wollte einfach nur weiter und weiter lesen, so sehr hat mich Chiara (als Autorin und als Protagonistin) begeistert. Erstaunlich ist auch, dass so viel in den Zeilen des nur 204 Seiten dicken Buches steckt. Da haben mich wesentlich dickere Bücher schon wesentlich weniger beeindruckt und verändert. Es ist ein sehr kluges, sehr mutmachendes Buch, auch für alle, die in einer glücklichen Beziehung leben und auch sonst keine echten Probleme haben. Verbessern kann man seine Einstellung immer und genau dafür öffnet dieses Buch die Augen. Es fällt mir schwer, einige Punkte nicht zu erwähnen, um nicht zu spoilern. Aber gerade diese Punkte wären wichtig, um meine Begeisterung verständlich vermitteln zu können. Deshalb hoffe ich, dass ich neugierig machen konnte und viele weitere Leser für dieses wunderbare Buch finden und begeistern kann. Ich habe die Lektüre sehr genossen und nehme einige Erkenntnisse mit, die ich niemals in diesem Buch gesucht hätte. Dafür danke ich der Autorin von ganzem Herzen!