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literary_marie

Posted on 24.3.2020

Tanya Tagaqs Debütroman Eisfuchs ist poetisch, mythisch, kraftvoll und so ganz anders als alles, was ich bisher gelesen habe. Nach und nach verschwimmen in dem Buch Realität mit Mythos und Mensch mit Natur und man wird als Leser immer tiefer in die Geschichte hineingezogen, bis man zum Schluss unerwartet ausgespuckt wird. Ein Mädchen wächst im Norden Kanadas am Eismeer auf. Ihren Namen erfährt man nicht. Die Handlung beginnt Mitte der 70er Jahre und erzählt von ihrer Kindheit, die von der Alkoholsucht ihrer Familie geprägt ist. Auch sie selbst beginnt früh, mit Drogen zu experimentieren, immer wieder raucht sie mit ihren Freunden Kippen, die sie auf der Straße finden. Die Sprache in Eisfuchs ist sehr direkt und je älter das Mädchen wird, desto vulgärer wird auch ihre Ausdrucksweise. Sie beschreibt ihr Leben an diesem einsamen Ort – Freundschaften scheinen auf Rivalität zu beruhen, man muss stark sein, um sich behaupten zu können und auch in der Familie erfährt sie nicht viel Liebe. Immer wieder kommt es zu sexuellen Übergriffen, als Leser fühlt man sich zunehmend unwohl und auch für das Mädchen wird es immer belastender, bis sie sich eines Tages völlig in den Mythen der Inuit verliert… Eisfuchs erzählt von der Natur, von den Sagen der Inuit und wie es ist, dort erwachsen zu werden. Als Leser taucht man ein in die Welt voller Polarlichter, Eisfüchse und dem Wechsel zwischen Polarnacht und Mitternachtssonne. Gedichte und Kapitel wechseln sich ab, unausgesprochene Dinge bekommen in Reimform eine tiefere Bedeutung, Illustrationen verstärken das Leseerlebnis und berichten von lebensgefährlichen und teilweise übernatürlichen Lebensumständen im Norden. Tanya Tagaqs Roman ist mitfühlend, atemraubend und magisch. Eisfuchs provoziert – sowohl thematisch als auch sprachlich – und hinterlässt bei jedem seine Spuren. Es ist vielleicht nicht unbedingt ein Roman, der jedem gefallen würde (ich weiß auch nicht, ob „gefallen“ das richtige Wort ist, um dieses Buch zu beschreiben), aber ich würde ihn trotzdem jedem ans Herz legen.

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