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Isabella Caldart

Posted on 23.3.2020

Auch 25 Jahre nach seinem Tod ist das Interesse an Kurt Cobain und Nirvana ungebrochen. Der ehemalige Nirvana-Manager Danny Goldberg veröffentlicht nun seine „Erinnerungen an Kurt Cobain“, die eine ganz persönliche Sicht auf Kurt als Mensch gewähren. Derart mythisch aufgeladen wie 1968 ist 1994 zwar nicht, einen gewissen Klang hat dieses Jahr dennoch. Die New York Times etwa widmete 1994 und der Generation X ein ganzes Dossier, in dem in zahlreichen Artikeln sämtliche popkulturelle Phänomene jener Zeit rekapituliert und analysiert werden. Doch warum ausgerechnet 1994? Die Antwort liegt auf der Hand: Es ist der Vorabend der Digitalen Revolution; das Jahr, in dem der Gen-X-Film schlechthin, „Reality Bites“, in den Kinos lief, aber auch das Jahr, in dem mit dem Tod von Kurt Cobain das Ende des Grunge und der Generation X eingeleitet wurde. 25 Jahre sind also vergangen, seit sich Kurt Cobain das Leben nahm. Dass Nirvanas Musik nicht nur für die Generation X sprach, sondern zeitlos ist, haben diese Jahre bewiesen. Nirvana sei ein Phänomen wie „Fänger im Roggen“, vergleicht Danny Goldberg: „Ähnlich wie in jenem literarischen Klassiker der 1950er Jahre gab Kurts Werk den Underdogs ihre Würde zurück und knackte dabei derart den Code der Massenkultur, dass Millionen sich darin wiederfinden konnten.“ Goldberg muss es wissen, schließlich ist er Musikmanager und -journalist und managte Nirvana jahrelang. Als sie sich 1991 kennenlernen, ist er 40, Kurt Cobain 23 Jahre alt. Auch wenn sie sich in vieler Hinsicht in unterschiedlichen Welten bewegen, so bleibt Goldberg während der gesamten Karriere von Nirvana eine wichtige Vertrauensperson für Kurt. Anlässlich des 25. Todestags hat er jetzt seine „Erinnerungen an Kurt Cobain“ veröffentlicht. Ein Vierteljahrhundert ist eine lange Zeit, um sich an Details erinnern zu können. Goldberg verlässt sich deshalb nicht nur auf sein eigenes Gedächtnis, sondern spricht mit zahlreichen Wegbegleiter*innen, darunter Krist Novoselic, Courtney Love, Thurston Moore von Sonic Youth und Michael Azzerad, Autor der einzigen offiziellen Nirvana-Biografie, „Come As You Are“. Für alle Nirvana-Fans ist es wie ein Klassentreffen mit alten Bekannten – wenngleich einige Namen fehlen, am auffälligsten Dave Grohls (dass Goldberg und Grohl bereits zu Nirvana-Zeiten nicht das beste Verhältnis hatten, wird in einem Nebensatz erwähnt, in dem es heißt: „Dave und ich hatten wenig gemeinsamen Gesprächsstoff“). Goldberg baut diese Perspektiven ein, bleibt dabei trotzdem bei seiner persönlichen Sicht, woraus er kein Hehl macht: Er schreibt als Freund, Manager und Mentor Kurts und zeichnet das Bild eines zumeist fröhlichen, nachdenklichen und extrem zielstrebigen Menschen, der sich bemüht, seine (wenigen) dunklen Phasen zu verbergen. Kurt Cobains Heroinabhängigkeit wird zwar thematisiert, seine Persönlichkeit aber nicht darauf reduziert, und auch Courtney Love, die Yoko Ono für viele Nirvana-Fans und heute noch Objekt zahlreicher Verschwörungstheorien, wird von Goldberg in ein positives Licht gerückt. „Erinnerungen an Kurt Cobain“ ist kein Ersatz für Michael Azzerads Biografie, funktioniert aber sehr gut ergänzend dazu. Goldberg offenbart einige neue Details, die bis dato nicht unbedingt bekannt waren, zum Beispiel, dass sich Nirvana schon früh bewusst für das Major-Label DGC, das bereits Sonic Youth unter Vertrag genommen hatte, und gegen Sub Pop entschieden, und dass Cobain, anders, als er selbst gerne behauptete, seine Lyrics nicht in letzter Sekunde improvisierte, sondern sich viele Gedanken darüber machte. Wichtige Aspekte, die auch in anderen Biografien anklingen, hier aber betont werden, sind zudem Kurts ambivalentes Verhältnis zu MTV, und seine Rolle als Feminist und Unterstützer der LGBTQ-Szene, die er mit wachsendem Ruhm immer dezidierter in der Öffentlichkeit vertrat. Und nicht zuletzt bietet „Erinnerungen an Kurt Cobain“ ebenfalls einen guten Einblick darin, wie Plattenfirmen und Musikmanager arbeiten. Goldbergs subjektive Sicht ist Schwäche wie Stärke zugleich. Einerseits liefern die „Erinnerungen an Kurt Cobain“ keinen vollständigen Überblick, weder über die Band Nirvana noch über Kurt Cobains Leben, andererseits bekommen die Leser*innen dadurch einen persönlichen Zugang zum Mensch Kurt, der von Danny Goldberg angenehm positiv beschrieben wird, ohne verklärt oder heroisierend zu werden. (zuerst veröffentlicht auf novellieren.com)

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