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sinnesgleich

Posted on 22.3.2020

Als ich den Klappentext erstmals las, war mir sofort klar: Ich hab ziemlich Bock auf „Sie hat Bock“. So fischte ich es schon wenige Tage später aus dem Briefkasten und schlug, auf meinem Sofa sitzend, die erste Seite auf. Ich meinte vorher auf alles gefasst zu sein, aber darauf definitiv nicht! „Ist ja auch gruselig: Können immer, kommen mehrfach, wollen mit allen. Und dann muss man am Ende auch noch das Balg eines anderen aufziehen. Nee, das mit dem Rumvögeln soll sie mal schön sein lassen, die billige Schlampe.“ (S.40) Unter dem Pseudonym „Katja Lewina“ schreibt die Autorin entlang ihrer persönlichen sexuellen Biografie regelmäßig Kolumnen für die verschiedensten Magazine. „Sie hat Bock“ ist eine Zusammenstellung einiger dieser Kolumnen. Thematisiert werden Begehren, Schönheitsideale, sexueller Missbrauch, Beziehungsmodelle, der Umgang mit Sexualität in der Pubertät und so einiges mehr. Besonders das Thema Selbstliebe begleitet den Leser dabei von Anfang bis Ende durch die Seiten. Alles übergreifend geht sie der Frage nach, wie viel Sexismus eigentlich in unserem Sex steckt. Lewinas Schreibstil fesselt einen regelrecht an die Seiten. Mit viel Humor, Sarkasmus und Ehrlichkeit spricht sie über das Tabuthema Sex. Viel von uns, mich schließe ich hier nicht aus, sind nun vermutlich etwas verwundert. Wir sind doch schließlich eine ziemlich aufgeklärte Generation, oder? Sex ist für uns kein Tabuthema mehr. Leider stellt sich während dem lesen leider raus das genau das eben nicht der Fall ist. „Riecht ihr ihn auch, den widerwärtigen Gestank der Doppelmoral? Aufwerten auf der einen Seite, abwerten auf der anderen.“ (S.38) Des Weiteren spreche ich, vermute ich, für einen leider recht großen Teil der Frauen und Mädchen, wenn ich sage, dass uns gewisse Dinge völlig normal vorkommen und wir uns darüber bislang weder Gedanken gemacht noch sie in Frage gestellt haben. Beispielsweise über die Rasur. Die Themen sind daher allesamt eben auch wahnsinnig wichtig. Doch Lewina gibt keine „Musterlösung“ vor wie man selbst sich fortan am besten verhalten oder optisch auftreten soll. Ganz im Gegenteil: Sie gibt Denkanstöße! Denn auch wenn sie auf die Missstände und Ungerechtigkeiten unserer Zeit hinweist, ist ihr Buch mehr Empowerment als Anprangern. Empowerment sich endlich zu nehmen was man will, und den Weg der Selbstermächtigung einzuschlagen. Es geht mehr um das „Wie“ als um das „Wieso“. Der lockere Schreibstil macht das Buch zudem sehr zugänglich, sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen wie fundiert es auf Sachebene ist. Zudem sind die Texte mit historischem, religiösem und mythischem Wissen über die Potenz der Frau, und die Wahrnehmung der Gesellschaft bezüglich dieser angereichert. Die Mischung aus lockerem Schreibstil und solidem Wissen macht für mich den besonderen Charme des Buches aus. „Sie hat Bock“ ist ein Buch, das man am liebsten jedem ins Regal stellen möchte. Ich bin wirklich begeistert und auch positiv überrascht. Amüsant, intelligent und vor allem notwendig und so unglaublich wichtig. Weibliche Sexualität darf, und sollte, nicht länger ein Tabuthema sein!

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