Sophie
Alice hatte es bisher nicht leicht im Leben. In der Schule wird sie gehänselt von ihren Mitschülern, die sie nur noch abfällig Queen Bazilla nennen, weil sie so oft krank ist. Freunde hat sie gar keine. Da scheint es echter Lichtblick, als Niko neu in der Klasse auftaucht. Er gibt nichts auf die Schikanen der Mitschüler und beteiligt sich nicht an ihrem Mobbing. Im Gegenteil: Niko steht für Alice ein und interessiert sich für sie. Bald entwickelt sich zwischen den beiden Jugendlichen mehr. Doch Alice kann Niko nicht die ganze Wahrheit sagen. Niemals wird sie darüber sprechen können, was bei ihr zu Hause los ist, wie der Großvater die kleine Familie tyrannisiert … Julya Rabinowichs Geschichte ist kurz, aber knackig. Sie entwirft rund um ihre Protagonistin Alice, die die Geschichte ausschließlich erzählt, ein Familienkonstrukt zum Weglaufen. Der Großvater, der nebenan wohnt, beherrscht das ganze Familientreiben und ängstigt Alice über allen Maßen. Sie ist zudem eine kränkliche Person und in der Schule wenig beliebt. Da auch ihre Eltern sich nicht für Alice interessieren, hat sie niemanden, mit dem sie sprechen kann. Niko ist wie ein Lichtblick, auch wenn es Alice anfangs schwerfällt, sich ihm zu öffnen. Die Sprache des Romans ist sehr poetisch, manchmal sogar etwas märchenhaft angehaucht. Denn Alice vergleicht sich selbst ganz oft mit Alice im Wunderland. Auch der Aufhänger der Geschichte ist gut gemacht. Auf einem Flohmarkt entdeckt Alice eine Mütze, die ihr Niko einst geschenkt hat. Als er dann sogar noch am Stand steht, gerät ihre Welt aus den Fugen und ein eben gekaufter Spiegel fällt ihr aus der Hand und zerschellt am Boden. Während sie die Spiegelscherben einsammelt, lässt sie ihre Geschichte mit Niko Revue passieren. Deswegen heißen die Kapitel auch nicht klassisch erstes oder zweites Kapitel, sondern erste Spiegelscherbe, zweite Spiegelscherbe. Optisch kommt dazu ein schickes Design des Buches mit hübscher grafischer Aufmachung der Spiegelscherben. „Hinter Glas“ ist eine besondere Geschichte, die trotz ihrer Kürze sehr intensiv wird. Alice verändert sich mit jeder aufgeklaubten Spiegelscherbe und das ist mehr als glaubhaft. Der Autorin ist eine besondere Geschichte gelungen, die nachhallt und in Erinnerung bleibt. Das Buch ist deshalb nicht nur etwas für Jugendliche, wohl vor allem Mädchen, ab 15 Jahren, sondern auch für interessierte erwachsene Leser. Ja, es könnte sogar als Schullektüre ausgewählt werden! Ein ganz toller, kurzer Roman, den man so schnell nicht vergisst!