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Inhalt: Stan wächst wohlbehütet auf. Seit etwa zwanzig Jahren trägt er, wie alle anderen in seiner Umgebung, einen Chip der Firma LongLife, der seine Körperfunktionen überwacht. Der Mikroprozessor analysiert laufend die Blutströme, reguliert den Herzschlag, und ist in der Lage die geringsten Anzeichen für eine Infektion zu erkennen. Ja, der Chip kann sogar anhand einer Hormonanalyse erkennen, wenn ein Träger gewalttätig wird oder ob ihm gerade Gewalt angetan wird. All diese Funktionen schätzt Stan. Er ist nicht unglücklich. Er ist aber auch nicht besonders glücklich. Dann kommt der Tag, an dem sein Bruder inhaftiert wird. Scott wird vorgeworfen die Systeme von LongLife angegriffen zu haben. Es kommt heraus, dass Stans Bruder der Anführer einer subversiv agierenden Organisation namens Vront ist, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Systemfrage zu stellen. Für Stan bricht eine Welt zusammen. Zugleich ist seine Neugierde geweckt. Was hat es mit Vront auf sich? Während Stan sich auf eine gefährliche Mission begibt, hat Scott im Gefängnis ganz andere Probleme. Sechs Monate lang muss er sich mit den schlimmsten Verbrechern arrangieren. Jeder weitere Tag in Haft wird zu einem Spießrutenlauf. Denn sein Ruf als Hacker, dem es gelungen ist, die Systeme von LongLife auszutricksen, ist ihm längst vorausgeeilt. Wenn er nicht kooperiert, dann drohen ihm Schläge oder Schlimmeres. Und bald schon ist nicht mehr nur sein eigenes Leben in Gefahr, sondern auch das seiner Familie. Meinung: Yves Grevet entwirft in seinem Roman „Vront – Was ist die Wahrheit?“ eine Horrorvision orwellscher Qualität und mixt dieses mit Thriller- und Krimielementen. Ein Chip der Firma LongLife hilft dabei das Leben eines jeden Menschen zu verbessern. So verspricht es zumindest die Werbung, die immer wieder in Medien eingespielt wird. Nach einem Scan erhält jeder Träger eines Chips, schon am Morgen eine Auswertung auf einem passenden Gerät, welche Medikamente er präventiv gegen festgestellte Krankheitssymptome einnehmen kann. Verbrechen wird durch das System frühzeitig vorgebeugt. Die Lebenserwartung eines Menschen kann drastisch erhöht werden. Der Preis des Fortschritts ist hoch: Jeder Chipträger wird rund um die Uhr überwacht. Regelverstöße können schnell unterbunden werden. Kinder lernen früh, dass das Rennen auf dem Gehweg nicht erwünscht ist, indem sie einen kleinen Stromstoß erhalten. Eltern können festlegen, wie weit sich ihr Kind vom Haus entfernen darf. Überschreitet der Chipträger die festgesetzte Grenze, wird er von Übelkeit und einem erhöhten Herzschlag heimgesucht. Yves Grevet gliedert seinen Roman in drei Abschnitte auf. Der Leser bekommt somit die Geschichte einmal aus der Sicht von Stan erzählt, einem Jungen, der in dem System aufgewachsen ist und es niemals hinterfragt hat. Die Spannung wird in diesem Abschnitt aufgebaut, als Stan erfährt, dass sein Bruder Scott sich über längere Zeit hinweg heimlich einer rebellischen Organisation namens Vront angeschlossen hat. Stan beginnt zu ermitteln und das System zu hinterfragen. Er möchte wissen, was sein Bruder über die Jahre getrieben hat und warum er sich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis so distanziert und merkwürdig verhält. Der nächste Abschnitt widmet sich Scott. Hier erfährt der Leser mehr über Vront und Scotts Zeit in Gefangenschaft. Scott gerät immer weiter auf die schiefe Bahn. Seine Situation spitzt sich immer mehr zu. Auf diesen Seiten des Buches wird die Spannung weiter vorangetrieben. Die Geschehnisse in seinem Leben lassen die Situation nahezu ausweglos erscheinen. Nicht selten hatte ich Mitleid mit Scott. Er ist eher Opfer der Umstände denn williger Teilnehmer. Der dritte Abschnitt ist mit der Überschrift „Vront“ versehen. Aus Sicht einzelner Mitglieder der Rebellengruppe wird die Geschichte schlüssig zu einem Ende gebracht. Fazit: „Vront – Was ist die Wahrheit?“ ist meiner Meinung nach keine klassische dystopische Geschichte. In vielen Dystopien ist die Technik das Mittel aus dem die fiktionalen Gesellschaften zu dystopischen werden. Das ist gar nicht selbstverständlich, schließlich begleitet Technik den Menschen seit seinen Anfängen. In Vront ist nun der Mensch die Sollbruchstelle, die eine ursprüngliche Technik-Utopie kippen lässt. Yves Grevet lädt hier zu einer Reise in menschliche Abgründe ein. Empfehlen kann ich dieses Buch daher an Leser/innen, die eine dystopische Geschichte suchen, die ihren Fokus auf die Vermessung menschlicher Innenwelten legt.