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thursdaynext

Posted on 18.3.2020

Hey Siri, willst du mich heiraten? Wie lebt es sich mit einem Kind im Autismusspektrum? Judith Newman weiß es und ist so großzügig und freundlich, offen aus dem „Nähkästchen“ zu plaudern. In „Hey Siri, willst du mich heiraten?“, berichtet sie von ihrem Familienalltag mit Gus, 14 Asperger-Autist und seinem Zwillingsbruder Henry, dem Nichtautisten und deren Vater John. Ihr Mann ist Teil der Kernfamilie, hat die gesamte Ehe über aber seine eigene Wohnung behalten. Ein Glücksbuch für Pädagogen, Eltern und sonstige Interessierte. Klar ist aber auch, es heißt Autismus-Spektrum, weil jeder Autist anders ist, ein eigenständiger Mensch mit Stärken, Schwächen, Wünschen, Hoffnungen, einer Geschichte und Umwelt die ihn prägt. Das Spektrum ist weit. So ist dieser Bericht individuell zu betrachten und jenseits aller Entwicklungsverzögerungen und Defizite wird klar, die Fragen, die sich Eltern stellen, sind meist diesselben. Judith Newman ist Journalistin und Autorin. Sie versteht es, packend zu schreiben und sie hat die Chuzpe, ihr Denken, ihre Liebe und ihren Familienalltag vor den Lesern auszubreiten. Anfangs habe ich mich dabei erwischt ihre pädagogischen Bemühungen zu werten, ein guter Anlass mal über die eigene Toleranz , die Vorurteile und den Hang zur Bewertung zu reflektieren. Man muss nicht werten! Man kann sich einfach einmal anhören, wie andere Menschen ihr Leben gestalten, ohne zu meinen es besser zu wissen. So ist es ein großer Unterschied, ob ich als Pädagogin mit Kindern und Eltern arbeite, oder ob ich mein Kind daheim habe, mich um seine Zukunft sorge, mit ihm einigermaßen glücklich zusammenleben möchte. Wer werten und verurteilen möchte kann diesen Bericht lesen und Fehler und Macken finden. Wer Einblick in das Leben einer anderen Familie finden möchte, wertfrei und abenteuerlich, dem sei „Hey Siri…“ wärmstens empfohlen, denn Judith Newman hat Tipps und Tricks auf Lager, die aus Liebe und Not resultieren und funktionieren. Für ihre Familie. Jede Familie geht auf ihre eigene Art und Weise damit um, wenn ein Familienmitglied aus der Norm fällt. Judith Newman hinterfragt die Norm, dehnt sie, weitet sie aus und letztendlich ist die Norm doch nur eine Richtschnur, an welcher sich alle Menschen mit ihren kleineren und größeren Macken grob orientieren. Newmans Humor macht dieses Buch so unwiderstehlich. Trotz aller Sorgen um Gus‘ Zukunft, trotz aller Zweifel, sie sieht die kleinen Dinge, die guten, die Schönheit und sie genießt sie täglich. Das ist ansteckend, lustig, lehrrreich macht nachdenklich. Nach Beendigung hat man Gus, Henry und Mama Newman ins Herz geschlossen und dieses samt dem Hirn hoffentlich geweitet für Menschen ein wenig abseitiger der Norm.

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