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Bris Buchstoff

Posted on 14.3.2020

Folge dem Leuchten London 2010, die Metropole pulsiert und das nicht nur am Tag. Des nächtens, wenn Raf wegen seiner außergewöhnlichen Schlafstörung, die ihn aus dem allgemeinen 24-Stunden-Rhythmus der Normalbürger herausreißt, Party macht, umso mehr. Gemeinsam mit seinem besten Freund Isaac gibt er sich zudem einem Livetest verschiedenster psychoaktiver Substanzen hin – natürlich vor allem wegen seiner Schlafstörung, die es ihm nicht einmal erlaubt, eine normale Liebesbeziehung aufrecht zu erhalten. Isaac hat mal wieder einen nicht ganz legalen Rave organisiert. In einem Waschsalon. Und genau in diesem Waschsalon sieht Raf sie zum ersten Mal. Sie heißt Cherish und ist eine junge Frau asiatischer, genauer burmesischer, Herkunft. Raf ist hin und weg von ihr und während er sich auf sie konzentriert, gerät sein Umfeld ins Trudeln. Zunächst verschwindet ein Freund spurlos. In einen weißen Lieferwagen wurde er gezerrt. Der von ihm betriebene Piratensender Myth läuft weiter, merkwürdigerweise jedoch mit einem ausgesuchten Programm burmesischer Musik. Überhaupt geschehen Dinge, die rein logisch nicht nachvollziehbar sind. Auf den ersten Blick jedenfalls. Üblicherweise etwas, was mir persönlich bei der Lektüre eher gegen den Strich geht, doch Ned Beauman versteht es grandios, mich eben das vergessen zu lassen – natürlich auch dank der wunderbar soghaften Übersetzung von Kathrin Passig und Gerhard Henschel, der man es überhaupt nicht anmerkt, dass da zwei Personen zu Gange waren. Plötzlich scheint alles eine Bedeutung zu haben, Synchronizitäten tauchen auf, Stück für Stück steigt Raf tiefer in eine Geschichte ein, die oberflächlich gesehen verworrener nicht sein könnte, doch es ist vollkommen gleichgültig, dass es immer wieder neue Wendungen und Ereignisse gibt, die eine Lösung scheinbar in weite Ferne rücken lassen. Scheinbar deshalb, weil Ned Beauman sehr genau weiß, wo er mit seiner flotten, unterhaltsamen, äußerst intelligent gestrickten Geschichte hin will. Als Leser*in folge ich bereitwillig und sehe immer wieder Dirk Gently vor mir, der zwar mit dieser Geschichte gar nichts zu tun hat, aber die richtige Grundhaltung an den Tag legt: einfach den Hinweisen, die wie kleine glühende Punkte innerhalb der fortlaufenden Erzählung aufleuchten, folgen. Der Glanz, den sie ausstrahlen ist magisch und bezirzend und deshalb bleibt eh keine andere Wahl. Dennoch sind die Hinweise – so mal ganz holistisch gesehen – immer wichtig und zielführend, auch wenn das auf den ersten Blick nicht erkennbar ist. Häufig wird das, was Beauman hier erschafft, als Sci-Fi verkauft, doch das ist es meiner Meinung nach mitnichten. Diesem Parforceritt ein Etikett zu verpassen ist ebenso schwierig wie unnötig. Was aber ganz eindeutig ist, ist die Brillanz mit der Beauman im Plot Haken schlägt, intelligent formuliert und seine vielen schrägen und genialen Ideen zum Leuchten bringt. Denn alles ist Leuchten. Von Füchsen, die offensichtlich mehr als klug sind und Raf immer öfter auffallen bis hin zu Carl von Linnés Blumenuhr lässt Beauman nichts aus, um Glow zu einem wahren literarischen Feuerwerk zu machen. Dabei fließt in die ganze Geschichte auch noch so etwas wie ein Thrillermoment durch die Verfolgung der merkwürdigen Machenschaften des Lacebarkkonzerns in Burma ein. Und welche Rolle spielt Cherish? Ned Beauman hat mit Glow ein Buch geschrieben, das dichter nicht sein könnte, dessen viele funkelnden Facetten ich nicht so recht in Worte fassen kann, ohne ihnen den Glanz zu nehmen und deshalb nur noch eines: selbst lesen und sich eine eigene Meinung bilden von dieser außergewöhnlichen Geschichte! Unbedingt. Mich hat es umgehauen.

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