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mabuerele

Posted on 13.3.2020

„...Die Identität eines Volkes wird maßgeblich durch seine historische Vergangenheit geprägt. Und die alles umspannende Pauschalisierung bzw. Popularisierung, der wir aktuell ausgesetzt werden, ist nichts als die Folge eines ausgewiesenen innerdeutschen Identitätsproblems...“ Der Autor ist Historiker. Das vorliegende Buch ist nicht sein Erstes über den Zweiten Weltkrieg. Es setzt aber einen besonderen Schwerpunkt. Es kommen Wehrmachtssoldaten zu Wort und berichten aus ihren Erinnerungen. Das obige Zitat stammt aus dem einleitenden Kapitel. Dem folgt eine historische Beurteilung der Wehrmacht. Anschließend folgen die Berichte von 12 Zeitzeugen. Die Männer waren zum Zeitpunkt der Befragung im Durchschnitt 90 Jahre alt oder älter. Man merkt aber in jedem ihrer Sätze, wie sich manche Erlebnisse ins Gedächtnis eingebrannt haben. Der Aufbau der Zeitzeugenprotokolle folgt dem gleichen Schema. Am Anfang werden die wesentlichen persönlichen Daten genannt. Dann kommen die Erinnerungen der Männer. Die werden an passenden Stelle unterbrochen durch historische Fakten und Ergänzungen des Autors. Während die Berichte der Männer mehr oder weniger emotional geprägt sind, erfolgen die Erläuterungen im sachlichen Stil. Das folgende Zitat stammt aus den Erinnerungen eines Wehrmachtsangehörigen, der in Stalingrad war: „...Nach einer Stadt sah das alles überhaupt nicht mehr aus. […] Bomben detonierten überall um mich herum. Ich fand Unterschlupf in einem Bunker...“ Paul kommt 1943 mit 18 Jahren zur Grundausbildung. Dort steckt er sich mit Diphterie und Scharlach an. Im Nachhinein resümiert er: „...Das alles war mein Glück. Alle meine Kameraden der Kompanie, mit denen ich die Grundausbildung gemacht hatte, waren längst an der Ostfront, und der Großteil war vermutlich schon gefallen. Ich hatte einen Schutzengel...“ Der Autor hat bei einer Auswahl ganz normale Soldaten befragt. Nur zwei der Interviewten hatten einen höheren Rang. Erstaunlich fand ich, dass mehrere ihr Überleben mit ihren Glauben in Verbindung bringen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Die Kriegserlebnisse führen mich als Leser nicht nur nach Russland. Ich erfahre von den Kämpfen in Norwegen, in dem heißen Sand der Sahara, bei der Landung der Alliierten und im Berliner Reichstag. Auch der Einsatz der Männer ist unterschiedlich. Einer war Pilot, ein anderer Funker. Ein junger Mann sollte als Flakhelfer verheizt werden. Dadurch wird die Vielschichtigkeit des Krieges nochmals lebendig. Auch die Herkunft ist verschieden. Manche stammten aus christlichen Elternhaus, andere hatten Eltern, die das Regime begrüßt haben. Doch es geht nicht nur um den Krieg. Erschütternd sind die Berichte aus den Gefangenenlagern. Was dort zum Teil geschah, würde man heute als Kriegsverbrechen bezeichnen. Damit meine ich nicht in erster Linie die russischen Lager. Das folgende Zitat beschreibt das Rheinwiesenlager: „...Dieser Regen, er brachte den Tod. Erst wurden die Kameraden, die neben mir lagen, bewusstlos, dann ertranken sie, während sie in der Erde einsickerten, dann trampelte einer drauf, und weg waren sie...“ Erschreckend wirkt es, wenn dann die Worte folgen: „...Emotional mitgenommen hat mich das aber nicht mehr...“ Am Ende stellt der Autor jeden der Männer drei Fragen. Eine davon ist, was sie über den Holocaust wussten. Hier sind die Antworten nahezu einheitlich. Davon drang an die Front nichts durch. Mehrmals wird darauf hingewiesen, dass die heutige junge Generation mehr über die Vergangenheit erfahren müsste. Das Buch bewegt und zwingt zum Nachdenken. Ich hoffe, es findet viele Leser. Das folgende Zitat aus dem Munde eines Zeitzeugen soll meine Rezension abschließen: „...Allein, dass man auf die Idee kommt, heute ein Nazi sein zu wollen, klingt für mich komplett absurd...“

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