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stefanie aus frei

Posted on 11.3.2020

„Ich dachte, dass eine unerklärliche Handlung weitere Handlungen von immer größerer Undurchsichtigkeit nach sich zog…“ Ich lasse das mit Elena Ferrante sein. Sie schreibt genial, aber ich mag nicht, was sie schreibt. Wie das? Nun, ich hatte eine Kindheitsfreundin. Meine Mutter hatte mich, das immer zuerst ziemlich zurückhaltende Kind, mit ihr bekannt gemacht, als wir beide in den Vorschulkindergarten kommen sollten, wir wohnten in derselben Straße, 300 Meter entfernt. Wir haben fast täglich miteinander gespielt. Sie fragte mich, was meine Eltern an Gehalt bekommen – arglos fragte ich daheim. „Geld, Kieselsteine nehmen sie nicht“ lehrte mich meine Oma. In der Schule war ihr immer wichtig, welche Noten ich im Vergleich zu ihr hatte – sie kannte meinen Notendurchschnitt vor mir. Als ihrer schlechter wurde, später, in der Pubertät, wurde ich von ihr als Streberin verhöhnt. Als ich sie einmal abholte, verstörte mich ihre Tante mit ihrer Bewunderung für meine Augenbrauen und Wimpern – dann, mit Blick auf sie: „nun, später malt das eh‘ jeder nach und es macht keinen Unterschied“. Als ich mir Schuhe mit etwas höheren Absätzen ertrotzt hatte, verstörte mich ihr Vater mit dem Ausruf „Pumps!“ – wiederholt, immer wieder, und „wie eine Animierdame“. Ich war vielleicht vierzehn. Als sie sitzenblieb, fand ich Freundinnen, die mir bis heute blieben. Wir vergleichen einander nicht, wir gönnen uns unsere Unterschiede. Wir üben „weißen Neid“ – „manchmal denke ich, ich hätte… und dann sehe ich … Wie schaffst Du das?“ Es gibt solche Frauen wie bei Ferrante, Frauen, die sich im Vergleich mit anderen definieren, dabei die andern heruntermachen, sich schlecht fühlen. Das braucht niemand. Frauen benötigen keine Frauen, die sie von oben bis unten mustern, die sie wahrnehmen als Konkurrentinnen um ihre Männer (solche wären es nicht wert), die Sätze äußern wie „also, ich würde ja nicht …“ oder „bei mir wäre ja ….“. Ich-Erzählerin Leda, geschieden, Mutter zweier erwachsener Töchter, die beim Vater leben, fährt in den Strandurlaub. Dort trifft sie auf eine Großfamilie aus Neapel, an der sie sich reibt: „Diese Leute regten mich auf. Ich war in ein Umfeld hineingeboren worden, das sich kein Stück davon unterschied, auch meine Onkel, meine Cousins, mein Vater besaßen diese aufdringliche Herzlichkeit. Sie waren förmlich, im Allgemeinen sehr gesellig, jede Frage aus ihrem Mund klang wie ein Befehl, kaum abgeschwächt durch ihre falsche Gutmütigkeit, und bei Bedarf konnten sie auf die vulgärste Weise ausfallend und aggressiv werden. Meine Mutter schämte sich für die pöbelhafte Art meines Vaters und seiner Verwandten, sie wollte anders sein, spielte dabei die kultivierte Dame von Welt. Doch beim kleinsten Streit verrutschte diese Maske, und dahinter trat das gleihe Verhalten, die gleiche Sprache hervor, die alle an den Tag legten, um nichts weniger ausgeprägt.“ Besonders ist Leda fasziniert von der jungen Mutter Nina und ihrer kleinen Tochter. Sie beobachtet, nimmt aber bald auf eine ungute Art teil an den Ereignissen, oft eher durch Unterlassen, denn durch Handeln, fast zwanghaft. Parallel dazu erfährt der Leser schrittweise mehr über Leda, über ihre eigene Beziehung zu ihren Töchtern, über ihre Unzufriedenheit, aber auch über Ninas kleine Fluchten. Ernsthaft? Leda ist eine unzufriedene, verwöhnte dusselige Ziege. Ich habe jetzt weniger das Problem damit, dass eine Mutter durchaus auch unzufrieden mit ihrer Mutterrolle ist, aber diese Frau weiß eigentlich nicht wirklich, was sie will. Nina „Warum hast du deine Töchter verlassen?“ „Ich liebte sie zu sehr, und ich hatte das Gefühl, meine Liebe zu ihnen hinderte mich daran, ich selbst zu werden.“ „…ich bin aus demselben Grund zurückgekehrt, aus dem ich gegangen war: aus Eigenliebe.“ Aha, ja. Und so geht das durchgängig. Nina ist hübsch – nein, hässlich. Leda liebt ihre Töchter – aber sorgt sich, weil die eine so wenig liebenswert ist. Der ältere Herr, der sich als Faktotum um die Wohnung kümmert, wird ganz besonders zur Projektionsfläche ihrer Stimmungen. Ernsthaft, das Buch sollte ein Psychologe analysieren. Der Schreibstil, die Sprache, die Bildhaftigkeit: 5 Sterne. Inhaltlich? 2 Sterne. Ich bin genervt, aber reichlich. 3 Sterne, wohlwollend, wegen der Sprache und weil es vor der „Saga“ auch ging, ohne ein Thema so extrem breitzuwalzen und figurentechnisch aufzublähen

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