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Babscha

Posted on 9.3.2020

Wie fühlt es sich an, wenn man als Vater zweier Kinder miterleben muss, wie der Sohn sich ganz normal entwickelt, die Tochter aber von klein auf unter massiven inneren Spannungen und Unruhe leidet und in ihrer eigenen Welt in permanenter Konfrontation mit ihrer Familie und Umwelt lebt? Was empfindet man, wenn dieses Mädchen gerade 15-jährig von jetzt auf gleich vollends den Kontakt zur Realität verliert, sich plötzlich für ein Genie hält, ihre Mitmenschen mit ihren Eingebungen bedrängt und belehrt, nicht mehr ansprechbar ist und sich dem fließenden Großstadtverkehr auf der Straße entgegen wirft und meint, diesen kraft ihres Geistes stoppen zu können? Wie ist einem zumute, wenn nach der Einweisung in die Psychiatrie und tagelangem verzweifelten Warten die Ärzte eine akute manische Depression mit Wahnvorstellungen diagnostizieren, der man nur durch Verabreichung hochdosierter Medikamente begegnen kann, um das „rasende Gehirn“ zu beruhigen? Wie ist es auszuhalten, wenn damit der zwischenmenschliche Kontakt zur eigenen Tochter abreißt, da sich diese in eine Welt zurückgezogen hat, zu der kein Zugang besteht? Auf diese Fragen versucht der amerikanische Autor in seinem Buch, das die authentische Geschichte seiner Tochter Sally erzählt, bestmöglich Antworten zu geben. Er lässt den Leser teil haben an seinem Entsetzen und seiner Hilflosigkeit bei ihrer Einweisung und den Wochen danach, an den automatisch folgenden Selbstvorwürfen und –zweifeln, an der Angst vor einer offensichtlich nicht ganz zu Unrecht vermuteten genetischen Disposition in seiner Familie als möglicher Ursache, aber auch an seinen Schwierigkeiten, neben dem allem auch noch sein eigenes Leben incl. finanzieller Existenzsicherung auf die Reihe zu kriegen. Geschickt, sehr offen und durchgängig interessant (da authentisch) verknüpft Greenberg in seinem Buch den Bericht über die Krankheitsgeschichte seiner Tochter mit Rückblenden zu seiner eigenen harten Lebensgeschichte in einer New Yorker Einwandererfamilie wie auch dem komplizierten Beziehungsgeflecht zu seiner geschiedenen und seiner heutigen Ehefrau. So bekommt der Leser ein gutes Gespür für die wahrhaft nicht einfachen Lebensumstände des Mannes. Wichtig und berührend auch der Epilog des Buches, der zu guter Letzt den Fortgang von Sallys Lebens- und Leidensgeschichte in den Folgejahren berichtet. Ein insgesamt sehr persönliches, lesenswertes Werk über das tragische Schicksal einer jungen Frau in seiner Wechselwirkung mit der Umwelt und der –zum Glück vorhandenen- Familie.

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