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Babscha

Posted on 9.3.2020

Genau 102 Minuten betrug die Zeitspanne zwischen dem Einschlag des ersten Flugzeugs im Nordturm des World Trade Centers und dem nachfolgenden Einsturz. 102 Minuten voller dramatischer, unfassbarer Geschehnisse im Innern der Twin Towers, die die Autoren, beide Reporter bei der New York Times und seinerzeit Augenzeugen des Geschehens, in jahrelanger Arbeit aus tausenden von Befragungen, Funkverkehrs- und Tonbandmitschnitten wie auch aus sonstigen ihnen zugespielten, von den Behörden bewusst unter Verschluss gehaltenen Protokollen akribisch recherchiert haben und dem Leser hier zugänglich machen. Neben den ganzen tragischen Einzelschicksalen einerseits und teils übermenschlichem Mut und Hilfsbereitschaft Einzelner andererseits eröffnen Dwyer und Flynn in ihrem Buch, unterlegt durch die ganzen zusammengetragenen Nachweise, mutig und offen eine völlig neue und bisher weitgehend unbekannte Sichtweise auf das, was damals wirklich passierte. Sie berichten von massiven, aus reiner Profitgier und Ignoranz erfolgten Verletzungen simpelster sicherheitstechnischer und baurechtlicher Bestimmungen beim Bau der Türme, die wesentlich zum verhängnisvollen Ausgang beitrugen wie auch einem unerträglichen, historisch gewachsenen Kompetenzgerangel zwischen der New Yorker Polizei und Feuerwehr, das trotz vorhandener technischer Ausrüstung zu einem vollständigen Informationsvakuum zwischen den Eingeschlossenen, ihren auf dem Weg befindlichen Rettern und den von außen koordinierenden Entscheidungsträgern führte. Fehlende technische Vernetzung und unkoordinierte, sich widersprechende Anweisungen waren –unabhängig von den sonstigen schicksalhaften Entwicklungen- zu guter Letzt offensichtlich hauptursächlich dafür, dass nicht nur viele Zivilisten, sondern auch ein Großteil der Feuerwehrleute die Gebäude nicht mehr rechtzeitig verlassen konnten. Ein Buch, das einen von Anfang bis Ende in seinen Bann schlägt, weil es eben nicht glorifiziert und moralisiert, sondern schonungslos aufdeckt und bei aller Tragik die Dinge ohne falsche Rücksicht beim Namen nennt. Hochinformativ, erschreckend und auf eine ganz eigene Weise großartig.

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