Babscha
Über das Grauen, das Entsetzen, das Mysteriöse, Unerklärliche, welches urplötzlich in das Leben von Menschen tritt und diese unabwendbar ihrem -zumeist unerfreulichen- Schicksal zuführt, davon erzählt Lindqvist´s Band von zehn Horrorgeschichten deutlich unterschiedlicher Länge (mal 5 Seiten, mal 100 Seiten). Wie in seinen bisherigen Büchern ist die Handlung entweder in Stockholm und Umgebung oder in der Region der Schäreninseln angesiedelt. Obwohl, wie im Nachwort vom Autor ausgeführt, allesamt zeitgleich mit dem Entstehen seiner bisherigen Romane geschrieben, weichen die storys für mich überraschend teilweise deutlich vom Stil seiner bisherigen Werke, nämlich dem gekonnten Verknüpfen einer zumeist komplizierten, zart erzählten Beziehungsgeschichte mit eher dezent, aber gekonnt platziertem Grusel und Schrecken, ab. Er kann also auch anders. Lindqvist, der seiner allgemeinen Einschätzung als Autor von Horrorromanen unwidersprochen zustimmt (ganz im Gegensatz zu meiner persönlichen Einschätzung), bedient mit zumindest zweien seiner Geschichten primär Fans des Splatter-Genres. Wie man das findet, mag jeder selbst entscheiden. Aber: zum Glück und wie nicht anders zu erwarten, enthält das Buch auch wieder seine typischen, intelligent konstruierten Dramen und Beziehungsgeflechte um Menschen, die von jetzt auf gleich durch unerklärliche Geschehnisse aus ihrem Alltag gerissen und zum Spielball mysteriöser Mächte werden; das bewegt sich qualitativ teils auf dem erzählerischen Niveau eines H. P. Lovecraft. Eine der schönsten Geschichten des Buches handelt von der fortschreitenden Vergänglichkeit und Auflösung einer großen Liebesbeziehung aufgrund einer schicksalhaften übernatürlichen Begegnung. Diese Geschichte lehnt darüber hinaus erzählerisch dicht an die Grundthematik des letzten Romans „Menschenhafen“ des Autors an, in dem das Element Wasser eine tragende Rolle spielt. Absolutes highlight des Buches ist für mich allerdings die toll geschriebene und sich völlig unerwartet entwickelnde story um eine Clique alter Damen, die, sozial vernachlässigt, mit einem ausgeklügelten Plan Gesellschaft und Staatsapparat mal zeigen, was eine Harke ist. Es gibt also Licht und Schatten in dem Buch. Letztlich halte ich die längeren und sorgfältig aufgebauten Geschichten im Stile seiner bisherigen Romane mit akzentuiert ausgefeilten Charakteren für die bessere Lösung, dem Leser schriftstellerisches Können zu präsentieren, anstatt über drastische und teils recht knappe Kurzgeschichten schnelle Effekte zu erzielen. Ist natürlich nur meine ganz persönliche Meinung. Ich vergebe für den Gesamtband aufgrund zumindest einiger starker Geschichten insgesamt knappe vier Sterne und freue mich schon auf den nächsten Roman des Autors.