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sommerlese

Posted on 9.3.2020

Härtling erzählt das Leben der Schwestern Ruth Böhmer, geboren 1907, und Lea Popischil, geboren 1908. Aufgewachsen sind sie im Ort Brünn in Mähren und erleben eine behütete Kindheit. Ruth ist mehr der intellektuelle und strenge, Lea eher der sportliche und lebensfrohere Typ. Doch zwei Weltkriege beeinflussen ihr Leben und sie erleben politische Wechsel, ohne sie genau zu verstehen. Schließlich leben sie mit ihrer Familie friedlich im engen Kontakt mit Tschechen, Deutschen und Juden zusammen. Die Erzählweise dieses Romans ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, das liegt an langen Schachtelsätzen und einer fast berichtartigen Schilderung. Die abwechselnden Kapitel verknüpfen jedoch gekonnt Zeitgeschichte und individuelles Familienschicksal miteinander. Es entsteht der Eindruck eines Ganzen, wenngleich die Zeitsprünge nicht inhaltlich verbinden. Hier wird Geschichte "vorgelebt" und nachfolgende Generationen erfahren mehr über diese Zeit. Sicherlich das Hauptanliegen Peter Härtlings, der den zweiten Weltkrieg ebenfalls miterlebt hat. Mir persönlich wird durch diesen Roman deutlich, dass die Nazizeit nicht nur bedauernswerte Tote hinterlassen hat. Auch die "Überlebenden" hatten häufig wenig Chancen auf ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben. Die Schwestern bilden im Alter ein eigenartiges Gespann! Jede kennt die Schwächen und Fehler der anderen und sie machen sich teilweise gehässig darauf aufmerksam. Aber es ist eine Hassliebe und sie brauchen einander wie in einer Symbiose. Die gemeinsamen Erlebnisse verbinden ebenso wie die starken familiären Bande. Nur gemeinsam sind sie stark! Ein wahrhaftig eindringliches Werk über Zeitgeschichte und nachdenklich machende kriegsbestimmte Einzelschicksale! Wie viele Schicksale dieser Art hat das vergangene Jahrhundert wohl durch Kriege hinterlassen? Dieses Buch rührt auf und mahnt! Sehr lesenswert!

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