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Babscha

Posted on 9.3.2020

Der eine ist David „Rocco“ Klein, langsam ausbrennender und verfettender Profi beim Morddezernat der Kripo von Dempsy, einem New Yorker Vorort, erstmal verheiratet mit seinem Job, dann mit seiner deutlich jüngeren Frau aus gutem Hause und daher in der elitären Situation, sich mit gerade Anfang 40 Gedanken über eine baldige Pensionierung und den Sinn des Lebens machen zu können, immer auf der Suche nach einem letzten großen Kick in seinem tristen Alltag. Der andere ist Ronald „Strike“ Dunham, ein neunzehnjähriger schwarzer Drogendealer, intelligenter Neurotiker mit schwerer, desillusionierender Jugend im Ghetto der Kleinstadt, angewidert vom eigenen Tun und dem seiner Umgebung und damit im permanenten Spannungsverhältnis zwischen dem ersehnten Absprung und dem schnellen Geld in einem lebensgefährlichen, gnadenlosen Milieu, in dem nur das eigene Überleben zählt. Sie sind die sich langsam, aber unaufhaltsam bis zum großen show-down aufeinander zu bewegenden Hauptprotagonisten in dem massiven, kürzlich unter dem Originaltitel „Clockers“ neu aufgelegten Wälzer, in dem der Autor einmal mehr unter Beweis stellt, wie man intime Kenntnisse der inneren Strukturen des amerikanischen Polizeialltags mit einer messerscharfen, bis in kleinste Details reichenden Beobachtungsgabe zu einem Psychodrama vermischt, das die zu Grunde liegende kleine Kriminalstory um den grundsoliden Bruder des Jungen, der sich nach dem Mord an einem Jugendlichen völlig überraschend als schuldig bekennt und damit sowohl bei Strike wie bei Rocco den Wunsch auslöst, den wahren Täter zu finden, fast nebensächlich werden lässt. Nein, seine Spannung und den inneren, stringenten Zusammenhalt eines gelungenen Buches bezieht der Roman aus der Beschreibung einer abstoßenden, brutalen Welt der Straße, in dem korrupte Polizisten einen aussichtslosen Kampf gegen eine Welt aus Drogen und Gewalt führen, und in die Price gekonnt zwei Handvoll Akteure beider Lager setzt, die er über unzählige Seiten, frei von jeder Hektik, aufbaut und die dem Leser zwar sehr vertraut werden, von denen aber nicht einer auch nur geringste Sympathiepunkte sammeln kann. Genau das scheint auch die Intention des Autors, nämlich den Leser mit Gewalt in den Sumpf des amerikanischen Großstadtalltags der frühen Neunzigerjahre so tief hinab zu ziehen, dass dieser nach dem Zuklappen des Buches und anschließendem Wiederauftauchen erleichtert ist, diese Welt glücklicher Weise nur auf dem Papier betreten zu haben. Ein gut geschriebenes, lesenswertes Buch für ausdauernde (Krimi)Leser, die gerne tief in die Psychen ihrer Buchcharaktere abtauchen und geschliffene Dialoge mehr lieben als platte Aktion.

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