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Babscha

Posted on 9.3.2020

Die Story: Langsam, aber unaufhörlich beginnen in der zweiten Dekade unseres Jahrhunderts die Meeresspiegel zu steigen. Erst als der Pegelstand mehrere Hundert Meter beträgt und bereits große Teile des kontinentalen Festlandes sowie ungezählte Menschenleben weltweit verloren sind, gestehen Wissenschaftler und Politiker machtlos ein, dass sich die Entwicklung noch ungezählte Jahre fortsetzen und die Erde vollständig in eine Wasserwelt verwandeln wird. In der über Jahrzehnte hinweg immer mehr zusammenbrechenden Weltordnung mit einer verzweifelten Massenflucht der Überlebenden in immer höhere Bergregionen können in den verbliebenen Staaten die Machthaber sich nur noch begrenzt und mittels massiver militärischer Präsenz der immer weiter nachrückenden Massen erwehren. In einem streng geheimen Projekt und in Kooperation mit einer Handvoll „Superreicher“ beginnt in Anbetracht der unabwendbaren Apokalypse die amerikanische Regierung mit dem Bau einer Weltraumarche, mittels der eine Handvoll in einem strikten Ausleseverfahren festgelegte junge Menschen ihre genetische Information in die Weiten des Alls tragen und auf einem möglichen erdähnlichen Planeten das Erbe der Menschheit bewahren soll. Was zunächst in geordneten Bahnen beginnt, gerät zunehmend außer Kontrolle. Als die Arche endlich unfertig, überstürzt und unter chaotischen Bedingungen zu ihrer großen Reise aufbricht, besteht die Mannschaft nur zu einem Bruchteil aus den ursprünglich geplanten Personen. Und welche Schwierigkeiten, Enttäuschungen und Zerreißproben sie auf ihrem jahrzehntelangen Weg erwarten, ahnt zu diesem Zeitpunkt niemand. Bewertung: Während Baxter in seinem ersten Arche-Band „Die letzte Flut“ (den man zum besseren Verständnis der Personen und Zusammenhänge vorher gelesen haben sollte) die Geschichte aus dem Blickwinkel der unmittelbar von der Flut betroffenen Menschen erzählt, steigt der vorliegende Folgeband bei einem Pegelstand von bereits einigen Kilometern ein und beleuchtet das dramatische Geschehen aus der Perspektive der sich in den Rocky Mountains verschanzenden amerikanischen Wissenschaftlerelite sowie einiger der bereits aus dem Vorgänger bekannten Hauptprotagonisten. Überraschend einfühlsam, facettenreich und spannend beschreibt der Autor die unter akuter Zeitnot voran schreitenden Bauarbeiten und die die innersten Überlebensinstinkte aktivierenden, geradezu gnadenlosen Ausleseprozesse der kleinen Crew von nur achtzig Personen, bei denen niemand sicher sein kann, nicht von heute auf morgen wieder aus dem Projekt eliminiert zu werden. Wenn nach etwa einem Drittel des Buches die Arche endlich abhebt, ist der mit wissenschaftlichem Hintergrund beschlagene Autor erkennbar in seinem Element, nämlich in den unergründlichen Weiten des Alls, in denen er die Elemente technischer SF sehr ausgewogen mit der Rahmenhandlung und der Beschreibung der endlosen zermürbenden Strapazen und deren Auswirkung auf die einzelnen Crewmitglieder und ihr schwieriges generationsübergreifendes Zusammenleben verknüpft. Und was besonders erstaunt: Baxter schafft es entgegen früherer Werke hier tatsächlich, zumindest einigen Protagonisten ein Gesicht, eine Menschlichkeit zu verleihen, die bewirkt, dass der Leser sich bei den vielen im Handlungsverlauf zu treffenden ultimativen Entscheidungen emotional pro oder contra engagiert. Die eigentliche Geschichte wird auch hier -notwendiger Weise- in dynamischen, teils Jahre umfassenden Zeitsprüngen erzählt, und ist, ohne Einzelheiten verraten zu wollen, mit einer ganzen Reihe interessanter, unerwarteter und schicksalhafter Entwicklungen und Wendungen gespickt, die trotz der Länge des Buches den Spannungsbogen ganz oben halten und mit einem clever gemachten open end sogar jederzeit eine Fortführung ermöglichen. Fazit: Ein visionär geschriebenes, spannendes Buch, das sowohl für SF-Liebhaber wie auch Fans dystopischer Endzeitliteratur trotz der bedrückenden Grundthematik großen Lesespaß bereit hält. Verdiente Höchstnote von 5 Sternen

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