Babscha
„Alle Menschen tragen eigentlich einen anderen Namen. In jedem Menschen gibt es einen anderen Menschen. Das Gerede irrt und hinter den Worten gibt es andere Worte. Man sieht uns nur im Dunkeln. Man hört uns nur in der Stille" ------------------------------------------------------------ Die eine ist die Kleine. Sie hat Angst, immer und überall, vor den Großen, die hinter allen Kleinen her sind, um sie zu fangen und aufzuessen. Sie ist gesegnet mit einer begnadeten Singstimme, aber durch jahrelange Isolation von der Außenwelt in jeder Hinsicht abseits von Normalität. Theres wird sie erst Jahre später heißen. Lange nachdem sie von Lennart, dem abgehalfterten Sänger und Musikproduzenten, kurz nach ihrer Geburt im Wald verscharrt aufgefunden und von ihm und seiner Frau in geheime Obhut genommen wurde. Und erst nachdem schreckliche Dinge geschehen sind, die in der Folge sie und ihren Halbbruder Jerry schicksalhaft aneinander ketten. Die andere ist Teresa. Immer schon, seit ihrer Geburt als drittes Kind einer Allerweltsfamilie aus Österyd. Aber auch sie ist anders als die anderen Kinder, problematisch, in sich gekehrt, schwermütig, einzig verstanden von Johannes, ihrem lieben Freund und Nachbarn. Immer auf der Suche, nach etwas, von dem sie weiß, dass es ganz gewiss da ist, aber sie kann es nicht deuten, kann ihre Sehnsucht, ihre Verzweiflung nur in Gedichten, im Niederschreiben ihrer Gedanken artikulieren. Bis zu dem Moment, im dem die mittlerweile vierzehnjährigen Mädchen in einem Internetforum zufällig in Kontakt treten. Im gegenseitigen Erkennen, in einem hochemotionalen Gefühlssturm, in einer verhängnisvollen Symbiose ihrer beiden Charaktere kanalisieren die Mädchen ihre Ängste und Aggressionen schließlich in einen katastrophalen Rachefeldzug gegen die Erwachsenen, die Großen. Auch und insbesondere in seinem neuesten Werk stellt Lindqvist wieder einmal seine ganze schriftstellerische Klasse unter Beweis. Ich kenne zur Zeit kaum einen Autor, der es schafft, in derartiger, absolut unter die Haut gehender und streckenweise unerträglicher Intensität und Wortgewalt, auf die Emotion des Lesers einzuwirken. Ein Mann, der die gesamte Klaviatur von tiefem Gefühl, Drama, Spannung und brachialem Horror meisterhaft beherrscht und in einem einzigen Buch verdichtet. Großartig.