patricianossol
Zunächst war ich mir nicht sicher, ob ich den Nachfolgeroman von „1793“ lesen sollte. Hatte ich mich doch im letzten Jahr anfänglich durch das Debüt gekämpft. Letztendlich siegte meine Neugier auf den neuen Roman von Niklas Natt och Dag, der im Januar 2020 beim Piper Verlag erschienen ist. Das Buchcover ist wieder ein Hingucker. Inzwischen sind wir im Jahr „1794“ angekommen. Nach den Ermittlungen des letzten Jahres ist Jean Michael Cardell in seinen alten Trott verfallen und lebt in den Tag hinein. Plötzlich kontaktiert ihn eine Frau, deren Tochter Linnea in ihrer Hochzeitsnacht grausam misshandelt und getötet wurde. Schnell ist der Täter gefunden - der frisch angetraute Ehemann - den man daraufhin in ein Irrenhaus einweist. Doch Linneas Mutter glaubt nicht, dass er ihre Tochter getötet hat und bittet Cardell in diesem Fall zu ermitteln. Gemeinsam mit Winge begibt er sich in die Abgründe Stockholms. Die beiden beschreiten einen gefährlichen Weg, um dieses rätselhafte Verbrechen aufzuklären. Schon in „1793“ beeindruckte mich das Setting des Buches. Wieder bin ich gedanklich mitten in Stockholm zum Ende des 18. Jahrhundert und lasse mich von den kolossalen bildhaften Beschreibungen des Autors mitreißen. Niklas Natt och Dag ist ein großartiger Erzähler. Seine Charaktere sind mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet und kommen in ihrer Rolle glaubhaft rüber. Es sind keine Superhelden, sondern Menschen mit Ecken und Kanten, teils kranke düstere Seelen. Obwohl er seinem Schreibstil treu bleibt, schafft es Niklas Natt och Dag in „1794“ die Spannung von Anfang hochzutreiben und über die gesamten 560 Buchseiten aufrecht zu erhalten. Kurze Kapitel säumen die Handlung, die von überraschenden Wendungen geprägt ist. Zu keinem Zeitpunkt wirkt die Geschichte in die Länge gezogen. Ich fliege durch die Seiten dem finalen Countdown entgegen. Die Ereignisse überschlagen sich und gerade am Ende muss ich konzentriert lesen, um alle Details in ihrer Gänze zu erfassen. Der Buchautor arbeitet interessante Hintergrundinformationen in seine fiktive Story ein und verleiht ihr damit ein hohes Maß an Authentizität. Besonders die Schilderungen der Ereignisse auf der Insel St. Barthélemy haben mich tief bewegt. Es sind verstörende, brutale Bilder, die die Sklaverei in der schwedischen Kolonie für mich lebendig werden lassen. An Grausamkeit kaum zu überbieten. Meine Gefühle fahren Achterbahn. Aus meiner Sicht hat sich der Natt och Dag, von seinem Debüt ausgehend, enorm weiterentwickelt. „1794“ überzeugt mit einer grandiosen Buchatmosphäre, eindrucksvollen Charakteren und einer fesselnden, exzellent recherchierten Handlung. Ein außergewöhnlicher Roman, der den Leser zum Mit- und Nachdenken herausfordert. Verdient trägt dieses Buch den Aufkleber „Schwedens Nr.1 Bestseller“!