Sarina
Bereits nach wenigen Seiten war ich dem Charme der Geschichte erlegen, sodass es unmöglich war nicht weiterlesen zu wollen. Die nächsten Seiten und Kapiteln, die an mir vorbeigeflogen sind, haben schließlich endgültig dafür gesorgt, dass ich mich in Jean-Paul Didierlaurents Schreibstil verliebt habe. Im Grunde ist sein Schreibstil sehr einfach gehalten, aber seine Worte haben eine große Aussagekraft, die eine ganz eigene Atmosphäre erschaffen. Man fühlt sich einfach wohl in der Geschichte und lässt sich daher nur allzu gern in Guylains Welt ziehen, um ihn durch seinen Alltag zu begleiten. Nach relativ kurzer Zeit wird deutlich, dass das Buch von seinen Charakteren und deren Lebensgeschichten lebt. Didierlaurent hat einige interessante Persönlichkeiten geschaffen. Nehmen wir nur einmal unseren Protagonisten Guylain, der seit er in einer Papierverwertungsfabrik arbeitet, jeden Tag ein paar Seiten aus der Schreddermaschine rettet, um sie am nächsten Morgen im Zug laut vorzulesen. Als großer Buchliebhaber ist er nämlich der Meinung, dass er es ihnen schuldig ist. Aber auch der Pförter dieser Fabrik oder Guylains ehemaliger Kollege sind alles andere als gewöhnlich. Sie haben mir während des Lesens viel Freude bereitet. Ich hätte mir die Geschichte wirklich nicht ohne sie vorstellen wollen. Guylains grauer und eintöniger Alltag findet eines Tages ein Ende, als er im Zug einen USB Stick findet, auf dem sich das Tagebuch einer jungen Frau befindet. Neugierig taucht er in die Tagebuchseiten ein und ist schon bald so von der Verfasserin fasziniert, dass er sich auf die Suche nach ihr macht…Ich hatte das Gefühl, dass er aus seiner Litanei aufwacht und zum ersten Mal, nach langer Zeit, wieder mit Elan ein Ziel verfolgt. Allerdings muss ich sagen, dass ich seine Faszination für Julie durchaus nachvollziehen konnte. Mit ihren kleinen Eigenheiten, die ich aus dem wenigen, das ich über sie erfahren durfte, entnommen habe, hat sie zwar etwas gauzig auf mich gewirkt, aber im Großen und Ganen würde sie wirklich gut zu Guylain passen. Schließlich würde ihn ein Außenstehender auch für etwas seltsam halten ;) Die Suche hat ein wenig Spannung in die Geschichte gebracht, doch das habe ich nur so nebenbei aufgenommen, da vorher bereits keine Langeweile bei mir aufgekommen ist. Im Gegenteil! Ich war zu jedem Zeitpunkt an das Buch gefesselt und konnte es nicht aus der Hand legen. Das Ende ist etwas offen gehalten, aber dennoch zufriedenstellend. Wenn es allerdings nach mir gegangen wäre, hätte das Buch gerne noch 200 Seiten mehr haben können. Mein Fazit „Die Sehnsucht des Vorlesers“ ist ein eher ruhiges Buch, das sich vordergründig mit den Themen Freundschaft und der Liebe zu Büchern beschäftigt. Didierlaurents Schreibstil versprüht seinen ganz eigenen Zauber und sorgt dafür, dass man sich von Anfang an total wohl in der Geschichte fühlt. Die Charaktere sind allesamt sehr interessante Persönlichkeiten und werden mir daher noch länger im Gedächtnis bleiben.