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Cubey

Posted on 6.3.2020

Deftige Beleidigungen treffen auch fehlende Story Als Helena erfährt, dass es neben ihrem Vater, ihrer (nicht anwesenden Mutter) und ihr noch jemand Vierten im Bunde gibt steht ihre Welt Kopf. Ihre Mutter hat sie kurz nach der Geburt zu ihrem Vater gegeben und sich selber verzogen. Fast zwei Jahrzehnte später findet Helena zufälligerweise heraus, dass sie noch einen Halbbruder, Lucas, hat, als dieser via Social Media kontaktiert. Für Helena beginnt eine spannende Zeit. Sie erzählt niemandem von ihrem neugefundenen Familienmitglied und auch wenn sie ihn noch nicht persönlich kennen gelernt hat ist sie Feuer und Flamme! Bis das Schicksal seine eigenen Karten spielt und Lucas bei einem Verkehrsunfall stirbt. Nach dem Abi macht sich Helena auf den Weg zu dem Ort an dem ihr Bruder seine Jugend verbracht hat und ihr Leben nimmt mit einem Mal rasant Fahrt auf!! Das ist es jedenfalls was da Buch mir verspricht. Was ich bekommen habe war eine komplett chaotische Geschichte ohne einen Pfad, die versucht hat auf irgendeine Art und Weise philosophisch und tiefgründig zu sein. Ich habe mich sehr auf die Geschichte gefreut, da ich selber einen Halbbruder habe, der mir mehr als nur am Herzen liegt und ich Geschichten in denen es um Geschwister geht eher bevorzuge als Geschichten in denen es um Liebespaare geht. In diesem Fall weiß ich aber bis jetzt nicht einmal, ob es eine wirkliche Geschichte bzw. einen Plot gibt. „Nachtschwärmer“ besteht praktisch nur aus zwei Bauteilen. Bauteil 1. Die Dialoge. Die Charaktere schaffen es in ewiglangen Dialogen unendlich wenig zu sagen. Und das bringen sie auch noch in einer so derben und komplett überspitzten Art und Weise rüber, dass es eine reine Qual war dieses Buch zu lesen! Für ein Trinkspiel eignet sich das Buch aber perfekt! Aufgabe: Bei jedem Schimpf- oder Fäkalwort einen trinken! Der Letzte der steht hat gewonnen. Nach zwei Kapiteln ist man am Boden. „Spasti“, „Nazi“, „ficken“, „Schnauze“, „Fresse“, „Fotze“, „Schlampe“, „Titten“, „Arsch“ sind nur eine kleine Auswahl der Wörter, mit denen auf den Seiten um sich geworfen wird. Nicht zu Ende geführte Sätze, Denkansätze die im Sande verlaufen, homophobe und rassistische Äußerungen sind in diesem Fall auch nur ein kleiner Teil des großen Ganzen. Die Dialoge sind teilweise auch komplett wir. Mit einem Mal wird ein Thema angefangen, irgendwo mitten drin, über etwas von dem ich in meinem Leben noch nie etwas gehört habe. Oder bei dem ich erst mehrere Seiten folgen muss, damit ich begreife um was es geht. Bauteil 2. Beschreibungen Und das kann Helena sehr gut. Sie erzählt ihre Geschichte langsam. Stück für Stück. Die einzigen wirklichen flotten Momente die mir einfallen sind einmal recht am Anfang und recht am Ende. Ansonsten geht sie jede Etappe ihrer langen Reise ins kleinste Detail durch. So klein, dass ich oftmals mehrere Seiten überspringen konnte und mich immer noch in der gleichen Szene befand. Dabei geht Helena nicht einmal interessant vor. Ihre Umgebung wird beschrieben wie in einem Tatortbericht. Der Ort ist Farblos und wirkt einsam. Helena selber wirkt gefühlskalt und abgestumpft, auch wenn sie die meiste Zeit praktisch nur am Weinen ist. Und das wäre primär auch nichts Schlimmes, immerhin geht es in diesem Buch um den Verlust und das Widerfinden, um das erwachsen werden... Sollte es jedenfalls. Den neben den ganzen Beleidigungen, Prügeleien, Hitler-, Nazi- und Ost/West-Vergleichen schwebt über dem ganzen Thema dieses „Pseudo-philosophische“ Geschwafel. Hier ein Blick in die Sterne samt „Denkst du nicht auch, dass manchmal alles sinnlos ist?“, dort eine Trennung mit den Worten „Du kennst mich doch gar nicht!“ und zwischen durch einige ruhige Stunden in denen man nur in den Sonnenuntergang schaut und über das Leben nachdenkt. Alles gepaart mit Alkohol (welcher hier in Maßen konsumiert wird!) und Zigaretten, so wie dummen Sprüchen, hysterischen Weibern und komplett kindischen Kerlen. Die Gesamte Story dreht sich anfangs im Kreis und als es scheint, dass so langsam der Höhepunkt erreicht wird, flacht die Geschichte ab und läuft aus, in einem Ende, welches mich in keiner Art und Weise berührt hat. Die Geschichte um Lukas geht verloren, auch wenn seine Freunde hier und da mal über ihn reden. 90% der Zeit geht es nur um Helena und wie sie mit seinen Freunden scheiße baut. Mike fährt fast die ganze Zeit besoffen Auto, Clara ist nur am Streiten mit Victor, die Jungs bauen in einer Tour nur scheiße und ziehen Helena mit rein und sie scheint es nicht zu stören, weil, „das sind ja die Freunde von meinem Halbbruder“! Und was die Aktion mit Clara an sich sollte, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Es war an den Haaren herbeigezogen, aus dem nichts und passte nicht ins Gesamtbild. Fazit: Was wollte das Buch jetzt von mir? Ich weiß es nicht. Was will ich von dem Buch? Nicht mehr genervt werden. Ich habe nur weiter gelesen, in der Hoffnung, dass der Pfad noch einmal zurück zu Lukas führt. Doch die Geschichte drehte sich so lange in immer engeren Kreisen bis sie irgendwann stehen gebelieben ist. Es wurde keine Spannung aufgebaut, die Charakterentwicklung blieb auf der Strecke und ich habe mich beim Lesen gefühlt, wie in einem falschen Film. Mehr „Jugendsprache“ geht fast gar nicht. Mit einem halben von fünf möglichen Sternen bin ich dem Buch noch gnädig gestimmt. Dennoch kriegt „Nachtschwärmer“ von Moira Frank keine Leseempfehlung von mir und ich rate jedem einzelnen von diesem Buch ab!

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