Babscha
Die Story: Ashley Cordova wird im Herbst 2011 in der Lower East Side Manhattans im Fahrstuhlschacht eines abrissreifen Hauses gefunden. Offensichtlicher Suizid einer 24jährigen jungen Frau. Doch sie ist nicht irgendwer. Sie ist die Tochter des sagenumwobenen oscarprämierten Regisseurs Stanislas Cordova, der bereits 1977 sein letztes Interview gegeben hat, dann vollständig abgetaucht ist und seitdem nur noch seine beklemmenden, düsteren Filme, die er auf seinem riesigen Anwesen in der Abgeschiedenheit der Adirondacks im Norden des Staates New York dreht, für sich sprechen lässt. Niemand weiß genau, wo er sich aufhält, auch nicht die "Cordoviten", eine ihm und seinem Schaffen völlig ergebene radikale Anhängerschar, die gut vernetzt aus den Tiefen des Internets heraus operiert. Welchen Grund hattte Ashley für ihren verzweifelten finalen Schritt und hängt dieser womöglich mit ihrer dubiosen Beziehung zu ihrem Vater zusammen? Dieser Frage stellt sich vor allem Scott McGrath, ein "investigativer Journalist" aus New York, der bereits vor Jahren mit Cordova in einer Verleumdungsgeschichte aneinandergeraten war, in deren Verlauf dieser ihn und seine Karriere geradezu zermalmt hatte. Mit Nora und Hopper, zwei Jugendlichen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen in der Stadt gestrandet sind und mit denen ihn das Schicksal jetzt zusammen führt, nimmt Scott seine damaligen Recherchen wieder auf. Und das Grauen nimmt seinen Lauf. Meinung: Ein pageturner wie selten! Gebannt und nur von Zeit zu Zeit Atem holend klebt man als Leser an dieser so ausgefeilt erdachten wie unheimlich und megaspannend geschriebenen Geschichte. In ihrem fast 800 Seiten starken Buch entwickelt die Autorin um ihre Handvoll Hauptprotagonisten, allen voran den icherzählenden Scott, herum eine verschachtelte düstere Geschichte des Grauens und der menschlichen Abgründe, die so vielschichtig und mit so vielen interessanten Handlungssträngen und Beteiligten aufwartet, dass man streckenweise fast Mühe hat, zu folgen. Eine gesunde Portion Okkultismus und Übersinnliches, geschickt mit der hektischen und harten Welt der Realität verwoben, gibt dem Ganzen zusätzliche Würze. Die Charaktere sind akzentuiert und sorgfältig ausgearbeitet und damit glaubhaft und menschlich mit all ihren Schwächen und Abhängigkeiten. Das trifft vor allem auf Scott zu, der sich immer tiefer in die unheimliche Welt des morbiden Cordova hinabschraubt und dabei völlig den Boden unter den Füßen verliert. Und natürlich auch Ashley selbst, deren so interessantes wie tragisches Leben nach und nach ausgebreitet wird. Besonderer clou sind auch die vielen ins Buch eingearbeiteten und die story begleitenden Bilder, Internet- und Medienberichte, die absolut wirklichkeitsgetreu gemacht sind, den Personen ein Gesicht geben und die das bereits hochtourig fahrende Kopfkino dann in den Turbogang schalten lassen. Echt klasse! Der subtil eingestreute Sarkasmus und Wortwitz der Autorin, die ihre Protagonisten hektisch kreuz und quer durch New York hetzen lässt, ist genau so bereichernd wie die Wahl gerade dieser einzigartigen Stadt als Hintergrundgrundkulisse, als Synonym für Unrast, Gefahr, Dekadenz und Gleichgültigkeit. Dicht, düster, packend und überzeugend auf der ganzen Linie. Eins der besten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe.
