Babscha
Es ist Weihnachten 2010, als die Schwestern Marnie, 15, und Nelly, 12, im Garten des elterlichen Hauses in einem sozialen Brennpunkt der Stadt Glasgow ihre beiden ungeliebten Erzeuger, die kurz vorher das Zeitliche gesegnet haben, in einer Nacht- und Nebelaktion notdürtig verscharren. Wie sich das Leben der beiden Mädchen fortan, zumindest im nachfolgenden Jahr, unter dem permanenten und immer stärker werdenden Druck, dass ihr kleines Geheimnis jederzeit auffliegen könnte, so gestaltet, davon erzählt dieses Buch. Und je weiter die Handlung fortschreitet, desto klarer formt sich das bedauernswerte, durchaus realitätsnah gezeichnete Bild von zwei völlig vernachlässigten, verkümmerten Mädchen, die mit ihren durchgeknallten, drogenabhängigen, degenerierten Eltern in einer absoluten Ghettoumgebung aufzuwachsen gezwungen werden. Und das mit sämtlichen Defiziten, die man sich dazu nur vorstellen kann. Ich muss sagen: Hut ab! Vor der Erzählkunst der Autorin, die die ganze traurige Story in permanent wechselnder Perspektive durch die beiden Schwestern und ihren Nachbarn, den alten, nach aussen sonderbaren, im Grunde aber höchst menschlichen, herzensguten Lennie ausbreiten lässt. Sie setzt dabei gerade diese drei Figuren mit ihren ganzen Eigenheiten so gekonnt in Kontrast und Interaktion zueinander, dass es einfach nur Spaß macht, das Buch zu lesen. Hier Marnie, ein völlig abgedrehter illusionsloser Teenager, geprägt durch negative, unsägliche Erlebnisse in Elternhaus und sozialer Umgebung, rauchend, kiffend, dealend, aber im Grunde hellwach und clever und mit einem IQ auf Höchstlevel gesegnet. Dann Nelly, die Kleine, schüchtern, beobachtend, sensibel, der klassischen Musik zugetan, immer angstvoll und abwartend. Und Lennie, ein Mann um die siebzig, schwul, seit langem allein lebend, distinguiert, aber voll im Leben stehend, der sich den Mädchen sodann annimmt und seine schützende Hand über sie hält, so gut es eben geht. Bis sich die Schlinge dann irgendwann zuzieht. Eine wirklich außergewöhnliche, überzeugende Geschichte, in die abzutauchen sich lohnt. Die durchgängig harte, vulgäre, aber nichtsdetotrotz hier völlig angebrachte und den äußeren Umständen entsprechende Sprache des Buches sollte den Leser hierbei allerdings nicht abschrecken. Manchmal ist so was eben so richtig wie erforderlich.