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Babscha

Posted on 4.3.2020

Die Story: In einem ungenannten mittelgroßen Land dieser Erde stellt der Tod pünktlich mit dem ersten Glockenschlag des neuen Jahres seine Tätigkeit ein. Allerdings nur dort; außerhalb der Landesgrenzen ändert sich nichts am Werden und Vergehen der Menschheit. Dies führt natürlich in kürzester Zeit zu chaotischen Zuständen. Nicht nur die alte Königinmutter bleibt in der Schwebe zwischen Leben und Tod, tausenden Todkranken, Unfallopfern und sonstigen Siechen, deren Zeit jetzt eigentlich gekommen wäre, geht es nicht anders. Politik und Klerus sehen sich ebenfalls mit einer nie dagewesenen Situation konfrontiert, die es möglichst elegant zu lösen gilt. Da sind die jetzt ja nicht mehr mögliche Auferstehung im Sinne der Bibel genau wie eine mittelfristig unaufhaltsam wachsende Zahl von Rentnern und Pflegebedürftigen, die es zu versorgen gilt, nur die Spitze des auf Kollisionskurs dahindriftenden Eisbergs. Aber siehe da: Nach dem ersten Schock zeigen sich alle Beteiligten durchaus erfinderisch bei der Lösung des Problems, natürlich immer schön unter Wahrung der eigenen Interessen. Keiner jedoch weiß, warum der Tod so handelt und wie das Ganze letztlich weitergehen soll. Meinung: Saramago strapaziert in seinem Buch eine wahrlich außergewöhnliche, abstruse Idee. Und das mit allen Konsequenzen und mit einem sehr genauen Gespür für das Handeln und Denken von Menschen in Ausnahmesituationen. Während der Roman in der ersten Hälfte noch beschaulich einsteigt und langsam an Fahrt aufnimmt, brennt der Autor danach ein rabenschwarzes Feuerwerk von guten Ideen ab. Ein Genuss zu lesen, wie er dabei in seiner ganz speziellen Sprache, respektlos und mit großem Wortwitz alle betroffenen Parteien aufs Korn nimmt und dabei gekonnt in ihrer ganzen Einfältigkeit und Unfähigkeit entlarvt und bloßstellt. Und wir lernen tatsächlich auch den Tod selbst kennen einschließlich seines Wohnsitzes. Das liest sich ziemlich ungewohnt aber gut, sowie zusätzlich beschleunigt durch den dem Autor offensichtlich eigenen Verzicht auf jede grammatikalisch saubere Darstellung wörtlicher Rede. Insgesamt ein reichlich durchgeknalltes, aber unbedingt lesenswertes Stück Literatur, das den Menschen -genau so wie den Tod- zeigt, wie er wirklich ist: Berechnend, rücksichtslos, gepaart mit einer guten Portion Stupidität und Hilflosigkeit, wenn etwas mal außerhalb der Norm läuft.

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