Profilbild von Babscha

Babscha

Posted on 3.3.2020

Weit geht das Buch zurück. In die Welt der letzten Kriegsmonate im Frühjahr 1945, als die Auflösungserscheinungen des deutschen Reiches bereits unverkennbar waren und die Schlinge sich auf allen Seiten langsam zuzog. In genau diese Zeit versetzt der Autor seine Geschichte um zwei siebzehnjährige Jungen, Walter und Friedrich, die in Schleswig-Holstein als Melker auf einem Gutshof arbeiten und über Nacht von der Waffen-SS zwangsrekrutiert und nach Ungarn in die Nähe der Front verfrachtet werden. Was sie dort an Gräueln und Kriegswahnsinn erleben, davon handelt dieses Buch. Bis eines Tages der sensible Friedrich noch kurz vor Kriegesende desertiert, aufgegriffen und wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt wird. Rothmann legt ein absolut authentisches, so brutal wie eindringlich geschriebenes Buch vor, das in seinem ganzen Facettenreichtum und mit seiner so einfachen wie unglaublichen Sprachgewalt tief unter die Haut geht. Es hebt über seine beiden Protagonisten und deren Einbindung in einen unmenschlichen Staatsapparat mit willfährigen Dienern nochmal den ganzen Irrsinn der damaligen Endzeit und beleuchtet deren Menschen in ihren verschiedensten charakterlichen Schattierungen. Über die Figuren von Walter und Friedrich wird absolut transparent, wie sehr der einzelne Mensch Spielball äußerer Lebensumstände werden kann, ohne jede Möglichkeit, diese im geringsten zu beeinflussen. Nämlich immer dann, wenn es nur noch ums nackte Überleben geht und sich zeigt, wie jeder Einzelne mit so einer Situation dann umgeht. Äußerst gelungen und damit diesem Meisterwerk den genau richtigen Rahmen gebend blendet Rothmann im Vorwort und im Epilog aus dem Hauptthema, den Erlebnissen von Walter in seinem achtzehnten Lebenjahr, um in die neuere Zeit aus dem Blickwinkel seines Sohnes, der die Geschichte seines Vaters damit vollständig und zu Ende erzählt. Ein berührendes, kluges, beeindruckendes Buch und damit eine absolute Leseempfehlung.

zurück nach oben