Babscha
Die Szenerie: Die riesige "rote Bibliothek" in einem schlossartigen verfallenden Herrenhaus irgendwo in den Weiten Amerikas. Draußen düsterer, kalter, regnerischer Spätherbst, vor den Gartenmauern vermummte frierende Gestalten, "fahrendes Volk" im Schein von Feuern. Drinnen sammeln sich die Brüder, neunundneunzig an der Zahl, zu einer ihrer wiederkehrenden Zusammenkünfte für Essen, Trinken, Streiten und mehr. Der hundertste Bruder kann leider nicht, ist auf der Flucht. Die Handlung: Doug, einer der vielen Brüder, ist hier der Erzähler. Wir erfahren, dass der Vater tot ist und seit langem die Urne mit dessen Asche gesucht wird. Allerdings nur halbherzig. Niemand hat gute Erinnerungen an den despotischen Erzeuger, der sämtliche Söhne mit genetischen Beeinträchtigungen aller Art, vorrangig Depression und Aggression, ausgestattet hat. Diese brechen sich auf dem Treffen mit steigendem Alkoholkonsum dann auch Bahn. Auch Doug, der Genealoge des ganzen Clans, hat hier massiv das Seine abgekriegt. Das Buch beschreibt das kulminierende Treiben der Männer, in das der Leser mittels der Berichterstattung des Erzählers voyeuristisch abtaucht. Bis zum finalen Akt der Raserei, dem furiosen Tanz des Kornkönigs, verkörpert durch Doug selbst. Meinung: Das Buch ist so speziell wie absonderlich. Obwohl das Kopfkino intensiv mitläuft, bleibt man als Leser dennoch völlig distanziert und verfolgt lediglich irgendwie teilnahmslos den ganzen Irrsinn, das abstruse bis abstoßende Verhalten der ganzen psychotischen, sich gegenseitig im Grunde hassenden Kreaturen, die hier mal so richtig "die Sau rauslassen" und die offensichtlich nur ihre eigenen Schwächen und der Hass auf den gemeinsamen Vater eint. Natürlich könnte man aus dem ganzen Geschehen jetzt eine vom Autor sehr wahrscheinlich auch beabsichtigte Plakatierung der verworrenen Mechanismen menschlichen Geistes incl. dessen Unzulänglichkeit insgesamt in Verbindung mit der ja immer brandgefährlichen Befreiung des in jedermann verborgenen, immer lauernden "wilden Tieres" und den Folgen hieraus tiefenanalytisch ableiten und bewerten. Dazu ist mir die story dann aber doch zu simpel und zu eigenartig und auch die Figur des Doug im Geschehen letztlich zu unklar. Zurück bleibt nur das nicht uninteressante Spiegelkabinett menschlicher Abgründe, in die man mal wieder einen Blick geworfen hat und die man mit Zuklappen des Buches irgendwie erleichtert erstmal wieder ausschließt. Obwohl sie einem in leicht abgemilderter, aber vielfältigster Form im normalen Leben täglich immer wieder begegnen, da führt, so wie Menschen nun mal strukturiert sind, ja leider kein Weg dran vorbei.