
Babscha
Story: Lili Stone ist die einzige Tochter eines intellektuell ziemlich derangierten Künstlerehepaares der Upper West Side New Yorks. Der lebensuntüchtige Vater Komponist, die mit allen Wassern gewaschene Mutter Journalistin und Grand Madame der Kunstszene, ein reiches, unsympathisches, versponnenes Paar, bar jeder Erdung und jeden Familiensinns, echte Spinner eben. Damit natürlich auch unfähig zur vernünftigen Erziehung des eigenen Nachwuchses. Logische Folge: Die Tochter ein emotional völlig vernachlässigtes, egozentrisches, gerissenes, manipulatives junges Ding, das sich seine Wahrheiten zurechtbiegt, wie es ihm eben passt und seine Eltern, vor allem die Mutter, aus tiefstem Herzen hasst. Das aufgrund seines elfenhaften Äußeren eines Tages die Chance auf eine Modelkarriere erhält, die schnell erfolgreich wird, was die negativen Charaktereigenschaften der jungen Dame sodann zu voller Blüte treibt. Eines Tages steht Duke Butler vor der Stoneschen Haustür, ein junger Schwarzer in der Army, derzeit auf Heimaturlaub, den Lili auf einer Reise nach Nairobi kennengelernt hat, ein naiver, linkischer, weltfremder Typ aus dem Süden. Alle drei Stones sind begeistert von ihm. Und dann geht alles sehr schnell. Lili und Duke erbrennen nach anfänglichem Abtasten in gleißender, unauslöschlicher Liebe, von Lili raffiniert inszeniert und choreografiert und von dem tumben Duke widerspruchslos mitgetragen. Heimlich und schnell wird geheiratet. Die Karrieren explodieren, Lili als Stern am Modehimmel, Duke als später landesweit gefeierter Weingourmet mit eigener TV-Sendung, ein ungebildeter Emporkömmling mit glücklichem olfaktorischem Talent. Die Butlers starten ein dekadentes Leben in Saus und Braus, was natürlich dauerhaft nicht gut gehen kann und sie, eingeholt von ihren Vergangenheiten und psychisch-emotionalen Defekten, irgendwann schwungvoll und mit durchgetretenem Gaspedal auf den Highway to Hell einbiegen lässt. Meinung zum Buch: Immer wieder habe ich mich bei der Lektüre gefragt: Was genau bezweckt die Autorin eigentlich mit ihrer Geschichte, was ist ihre Intention? Was will sie dem Leser mittels ihrer durchgängig sarkastischen, zynischen, überlegen aus dem Überbau der Wissenden herab regnenden, streckenweise antiquierten, den (letzten) Nerv des Lesers damit aushöhlenden Sprache eigentlich vermitteln? Ist es eine persönliche kombinierte Generalabrechnung mit a) der Verkommenheit und Unvollkommenheit der menschlichen Natur in all ihren Facetten, exemplarisch dargestellt über die beiden wahrlich durchgeknallten Hauptprotagonisten, die in ihrem ganzen abstoßenden Denken und Handeln (insbesondere natürlich Lilis) zumindest bei mir immer wieder an Mickey und Mallory aus "Natural Born Killers" erinnerten bzw. b) dem amerikanischen Establishment und seinen Auswüchsen (hier insbesondere der New Yorker Upper-Class-Gesellschaft mit ihren allseits bekannten Stereotypen), alles gewürzt und unterlegt mit dem ja nie wirklich endenden Schwarz/Weiß-Konflikt und der immerwährenden Diskrepanz zwischen dem reichen, intellektuellen Norden und den hinterwäldlerischen, armen Südstaaten (aus denen Duke stammt)? Oder etwas ganz Anderes, was ich irgendwie überlesen oder nicht mitbekommen habe? Im Gegensatz zu vielen anderen bereits gelesenen amerikanischen Gesellschafts- und Familienromanen habe ich hier bereits nach wenigen Kapiteln irgendwie ein Unwohlsein, eine Gereiztheit beim Lesen verspürt, die ich eigentlich so nicht kenne und die mir sehr schnell die komplette Freude an Buch und Geschichte genommen und mich gleichgültig gegenüber deren Fortgang gemacht hat. Dies lag sicherlich am besonderen Schreibstil der Autorin und der streckenweise einfach nur verschrobenen Sprache des Buches. Es kann ja sehr interessant sein, in Büchern in die verqueren Geister und abgründigen Tiefen der Protagonisten abzutauchen, aber was hier 500 Seiten lang an seelischen Mißbildungen und zwischenmenschlichen Abartigkeiten, zuvorderst natürlich bei Lili, ans Licht gehoben wird, hat zumindest mich irgendwann nur noch abgestoßen und zuletzt gelangweilt. Als Leser habe ich mich keinen Moment den mitwirkenden Figuren in irgendeiner Form verbunden oder nahe gefühlt, alles blieb beliebig, total konstruiert und ohne Gesicht und Tiefgang. Kopfkino ausgeschaltet, Leinwand schwarz. Die Grundidee der story in Verbindung mit den zugegebenermaßen durchaus interessanten Verschachtelungen der diversen Personen aus deren Historie heraus hätte dabei absolut das Zeug zu einem richtig guten Buch gehabt. Schade drum. Vertane Lesezeit.