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Babscha

Posted on 2.3.2020

In 2140 ist die Klimakatastrophe bereits lange gelebte Realität. Nachdem sich seit dem 21. Jahrhundert ungeheure Mengen abgebrochenes Eis der Arktis verflüssigt haben, ist der Meeresspiegel kontinuierlich um 15 Meter gestiegen und hat damit weltweit alle küstennahen Städte ganz oder teilweise unter Wasser gesetzt. New York, die zentrale Stadt des Buches, hat es natürlich auch mit zwei riesigen Flutwellen massiv erwischt. Lower Manhattan steht bis hoch nach Midtown permanent vier Stockwerke unter Wasser. Die Menschen verkehren auf den Avenues und Straßen mit Booten, mittels zwischen den Hochhäusern errichteter Brücken und Röhren oder direkt über Fluzeuge und Luftschiffe. Das Kapital hat sich ins trockene Uptown zurückgezogen und dort neue Superwolkenkratzer im Dubaistil errichtet. Nichtsdestotrotz haben sich die Menschen auch in den südlichen Stadtteilen mit der Situation arrangiert und eine Art Supervenedig konstruiert; jeder Fleck Wohnraum ist dort nach wie vor - legal wie illegal- bewohnt. So weit, so gut. Beeindruckend am Buch ist, wie ideenreich und ausgefeilt der Autor hier am Beispiel New Yorks seine Vision eines Lebens in den Küstenmetropolen unter völlig neuen Rahmenbedingungen präsentiert. Gleiches gilt für seine streckenweise sehr interessanten und von offensichtlich hoher geologischer Sachkenntnis geprägten Ausführungen und wie er das Thema Umwelt hier gekonnt in ein immer mehr eskalierendes Spannungsverhältnis zu den unverändert skrupellos agierenden Mahlsteinen aus politischen und wirtschaftlichen Interessenvertretern setzt. Die stetigen Wechsel zwischen zum einen elaborierter und dann plötzlich wieder ziemlich drastisch-ordinärer Sprache sind eigenwillig, passen aber durchaus. Highlights des Werkes sind die immer wieder eingestreuten Kapitel, in denen ein fiktiver klugscheißender "Bürger" losgelöst vom eigentlichen Buch zynisch rückblickend die Menschheit in ihrer ganzen Unvollkommenheit, Unfähigkeit und korrumpierten Geldgeilheit (siehe die Geschehnisse von 2008) vorführt, die trotz der ganzen Warnschüsse der Vergangenheit zum Thema Klima einfach immer weiter gemacht hat und sich insofern jetzt nicht zu wundern braucht. Was stört, ist der sich nach schwungvollem Beginn leider immer mehr einschleichende Ermüdungseffekt beim Lesen. Das Ding ist mit 800 Seiten für die eher banalen Handlungsstränge, in die sich hier etwa zwei Handvoll Protagonisten verstricken, eindeutig zu lang geraten. Endlos erscheinende, offensichtlich auf den ortskundigen, amerikanischen Leser zugeschnittene Stadtbeschreibungen in Verbindung mit bis in tiefste Tiefen erläuterte wirtschaftliche und politische Sachzusammenhänge (zumindest nimmt man mit, wie Hedgefonds funktionieren und deren Manager ticken) lassen irgendwie überhaupt keine echte Spannung aufkommen. Belebende action ebenfalls Fehlanzeige. So bleibt eigentlich insgesamt eher ein zugegebenermaßen fundiert und zielgerichtet geschriebenes "Öko-Sachbuch" in Erinnerung, jedoch kein spannender ausgewogener Zukunftsthriller. Aber vielleicht hat der Autor den ja auch gar nicht im Sinn gehabt. Keine Ahnung.

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