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Babscha

Posted on 2.3.2020

Die Zeiten werden zunehmend härter, die Kriminalitätsrate steigt, die Sitten verrohen und das gesellschaftliche Miteinander wird immer komplizierter und auch gefährlicher. Hemmschwellen sinken. Von normalem Diebstahl, Einbrüchen, Handgreiflichkeiten wird im Grunde kaum noch Notiz genommen, keine Ressourcen sind seitens der Staatsorgane vorhanden, diese intensiv zu verfolgen, Verfahrenseinstellungen bei kleineren Delikten damit fast die Regel. Was noch ins Bewusstsein der Bevölkerung dringt und das dort mehr oder weniger verankerte „Rechtsempfinden“ aktiviert, sind die großen, spektakulären Exzesse bzw. die Straftaten, denen sich jeder sich frei in der Gesellschaft Bewegende persönlich latent ausgesetzt sieht wie spontane Gewalt wegen Nichtigkeiten, ungefilterte Aggression, Betrug, Terror, Abzocke usw.. Da richtet sich der Blick dann Richtung Politik und Justiz als Grundpfeiler des Rechtsstaats, verbunden mit der Erwartungshaltung, dass doch bitte etwas mehr geschehen möge, um wieder Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu schaffen. An dieser Stelle setzt das vorliegende Buch thematisch an. Der Autor ist Amtsrichter mit langjähriger Erfahrung auf allen Ebenen der Strafgerichtsbarkeit und weiß somit, wovon er spricht. Er gewährt dem Leser so erschreckende wie megainteressante Einblicke in die tägliche Praxis des Lebens „bei Gericht“ und zeichnet das desolate Bild eines überforderten, auf allen Ebenen immer mehr versagenden Rechtsstaats, der dem Verbrechen zunehmend hilflos gegenüber steht. Aufgrund Überlastung der Gerichte durch unzureichende Personalausstattung, technische Rückständigkeit und vorsintflutliche Behördenstrukturen und Verwaltungsabläufe sind diese bereits völlig im Hintertreffen gegen gut organisierte Kriminelle und fachlich versierte Spezialanwälte von Großkanzleien, gerade auch im Bereich von Internet- und Wirtschaftskriminalität. Knallhart definierte Zeitvorgaben an die Richter zur Abwicklung der Ihnen vorliegenden Fälle lassen zudem keinen Raum mehr für eine fundierte Prozessaufbereitung und –führung und zwingen zu Deals sowie schnellen und damit ggf. fehlerbehafteten Urteilen. Mit einer Fülle von Praxisbeispielen, viele davon bestens bekannt da medial „hochgekocht“, votiert der Autor vehement für ein gesellschaftskritisches Umdenken auf allen Ebenen, vor allem eine bessere Ausstattung der Gerichte in jeder Hinsicht, um dort die rechtsstaatlichen Aufgaben noch anständig wahrnehmen zu können. Ein kompetent geschriebenes, mutiges und vor allem auch für juristische Laien verständliches Sachbuch mit klarer Botschaft, dabei kurzweilig und horizonterweiternd. Verdiente volle Punktzahl.

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