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Babscha

Posted on 2.3.2020

„War seine Frau unglücklich? Das war zwar bedauerlich, aber alles in allem ihr eigenes Problem. Auch er hatte seine Probleme.“ Frank und April Wheeler sind die, um die sich hier alles dreht. Ein Ehepaar Ende Zwanzig mit zwei kleinen Kindern im Jahr 1955. Sie leben in einem kleinen Kaff in Westconnecticut in einer Neubausiedlung der Nachkriegsjahre, wo jeder jeden kennt, man vorderhand füreinander da ist und das gute Miteinander bis hin zu Freundschaften zelebriert, hinterrücks aber sich am hemmungslosen Tratsch über das Privatleben der Nachbarn im Sinne eines jeder gegen jeden labt. Die Wheelers möchten da eigentlich gerne anders sein, moderner, weltoffener. Reden sie sich zumindest immer wieder ein, positionieren sich deshalb selbst intellektuell über ihren vielen tumben Bekannten, können aber auch nicht aus ihrer Haut. Frank, ein intelligenter, aber narzisstisch veranlagter Querulant, pendelt jeden Tag nach New York, wo er wie ehedem sein Vater lust- und ambitionslos einem öden Job in einer Maschinenbaufabrik nachgeht. Seine Frau, ganz gut aussehend und ebenfalls ohne konkretes Lebensziel, schwimmt letztlich auch nur kräftig mit im zeitgenössischen dunklen Strom der 50er Jahre, einem sittsamen Dasein als gute Ehefrau, Mutter und Nachbarin, die zuhause alles im Griff hat, dem Hard-Working-Ehemann und Familienernährer den Rücken frei und die Kinder vom Hals hält, zu ihm bewundernd aufschaut und ihn bei der Heimkehr von seinem aufreibenden Job in der turbulenten Welt da draußen täglich mit eisgekühlten Martinis und Whiskeys en masse erfrischt bzw. beruhigt. Richard Yates setzt in seinem bereits 1961 geschriebenen Meisterwerk zwei komplexe hochneurotische Persönlichkeiten aufeinander an, die nach außen hin die heile Familie zelebrieren, sich aufgrund ihrer dunklen inneren Abgründe jedoch belügen, betrügen, aufreiben und gegenseitig zerfleischen, was das Zeug hält. Bis zum bitteren Ende. Dabei fängt er die ganze miefige, verlogene gesellschaftliche Atmosphäre der Nachkriegsjahre hervorragend ein und lässt den Leser eintauchen in eine Welt, in der sich alles nur am äußeren Schein, der Karriere (des Mannes) und möglichst wohlfeilem Verhalten in der Öffentlichkeit orientiert, gleichzeitig und ohne innerem Widerspruch aber eine exzessive, gesellschaftlich akzeptierte Sauferei, Qualmerei und Fremdgeherei gelebt wird, die man heute kaum noch für möglich hält (es sei denn, man hat das Deutschland der 60er-Jahre noch live miterlebt). Das Buch vermag durch die messerscharfe Beobachtungsgabe seines Autors für menschliche Schwächen, seinen Sarkasmus und die (mit Blick auf das Ersterscheinungsjahr) mutige Offenheit seiner Schilderungen zu überzeugen und zu begeistern. Die zwei Handvoll Hauptprotagonisten des Buches sind in ihren ganzen Eigenarten treffend und punktgenau skizziert. Ein zeitloses Werk, eine echte Leseempfehlung für Menschen, die mit der Beschränkung des menschlichen Geistes gut umgehen und sich für ausgefuchste Ehedramen begeistern können.

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