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Babscha

Posted on 2.3.2020

Caitlin Doughty ist acht Jahre alt, als vor ihren Augen in einem Einkaufszentrum ein Kind zu Tode stürzt. Dieses Erlebnis verändert sie so nachhaltig, dass sie fortan eine tiefsitzende, diffuse Angst vor dem Tod in Verbindung mit ausgeprägten Zwangsstörungen entwickelt. Faktisch als Selbsttherapie nimmt sie die Dinge später selbst in die Hand und heuert nach ihrem Studium in San Francisco als Hilfskraft in einem Krematorium an. Dort wird sie in direktest möglicher Weise mit ihrem Dämon konfrontiert. Nach einem Jahr beginnt sie in Los Angeles dann eine ergänzende Ausbildung an einem College für Bestatter, jobt danach zunächst im „Transportwesen“ für Verstorbene und macht sich parallel dazu in den sozialen Netzwerken einen Namen, indem sie dort aus dem Nähkästchen der Bestattungsindustrie plaudert und dabei auch Dinge publiziert, die man in diesem Gewerbe nicht so gerne im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit sehen würde. Vorweg: Dieses Buch ist harter Tobak! Was die Autorin hier alles völlig offen, drastisch und unverblümt aus der täglichen Praxis eines gewerblich betriebenen Krematoriums und an eigenen Erlebnissen dort erzählt, muss man wahrhaftig aushalten können. Sie macht das allerdings in einer so offenen, sympathischen und nicht zuletzt auch humorvollen Art und Weise, dass dem Ganzen heiklen Thema die Spitze genommen wird und man mit der Lektüre sowohl seinen Wissenshorizont wie auch das eigene Verständnis zum Thema deutlich modifizieren und erweitern kann. Das Kernanliegen ihres Buches wie auch ihrer heutigen Tätigkeiten ist, den Menschen einen anderen, offenen und unverkrampften Umgang mit Tod und Sterben incl. der diversen Begräbnismöglichkeiten zu vermitteln und dabei die in den westlichen Zivilisationen immer noch verankerte Todesverleugnung zu enttabuisieren (der Tod gehört zum Leben!), vor allem in ihrer Heimat USA, wo bis heute Verstorbene regelmäßig durch Thanatopraktiker mit viel Chemie für die Trauergemeinde möglichst lebensecht wieder „hergerichtet und aufgehübscht" werden. Ein hochinteressantes, ehrliches und spannendes Buch direkt aus einer Welt, in die man bisher kaum bzw. gar keinen Blick werfen wollte bzw. durfte mit einem wirklich wichtigen, unbedingt zu unterstützenden Grundanliegen. Launig und in kerniger, direkter Sprache geschrieben von einer starken Frau, die aus vielen Jahren Erfahrung weiß, was sie will, nämlich ihr Leben dem Tod zu widmen. Leseempfehlung!

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