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Babscha

Posted on 2.3.2020

Der bekannte Autor und in Bonn niedergelassene Kinder- und Jugendpsychiater nimmt sich in seinem vorliegenden Werk das prekäre Bildungssystem unseres Landes zur Brust und demontiert es hier umfänglich und nach allen Regeln der Kunst. In klaren, eindringlichen Worten stellt er die hiesige völlig verquere Bildungspolitik mit ihrer Vorgabe des „autonomen Lernens“ und des „offenen Unterrichts“, in dem Kinder allein ans Ruder des Lernschiffes gelassen werden und Pädagogen nur als „Lernbegleiter“ fungieren sollen, die lediglich im Notfall ins Steuer greifen mögen, als Quelle des Übels dar, an dem dann alle, Kindergärten, Erzieher, Lehrer, Eltern und zuvorderst die Kinder und Schüler seit Jahren leiden. Sachlich und nachvollziehbar prangert er die täglich und überall zu beobachtende Tatsache an, dass in dieser Situation bei Kindern und Jugendlichen, insbesondere im praktischen Kindergarten- und Grundschulbetrieb, die Entwicklung und die für ein selbstständiges, erfülltes Leben zwingend notwendige Ausprägung emotionaler und sozialer Kompetenzen von Anfang an auf der Strecke bleiben und stattdessen in großem Umfang Menschen heranwachsen und dann ins Erwachsenenleben eintauchen, die lebensuntüchtig und hilflos auf dem psychosozialen Entwicklungsstand eines Kleinkindes verharren, dessen Denken ausschließlich selbstzentriert und empathielos um sich selbst kreist. Die desaströsen zusätzlichen Erschwernisse aus überambitionierten bzw. gleichgültigen Eltern mit völlig falschem Erziehungs- und Bildungsverständnis, aus verschiedensten Gründen unzureichender bzw. völlig fehlender Differenzierung der individuellen Leistungsfähigkeit von Kindern (Abi um jeden Preis), einer immer weiter abbröckelnden Pädagogenkompetenz und natürlich der weitgehend von politischen Interessen gesteuerten Bildungslandschaft tragen dann das ihre zum stetigen Niedergang bei. So weit, so schlecht. Alles irgendwie bekannte Themen, die Winterhoff hier brachial bearbeitet und anprangert. Aber das macht er so hervorragend, kompetent und vor allem fair gegenüber allen Beteiligten, dass man das Buch in einem weg liest und viele gute Denkansätze hieraus mitnimmt. Sein klares Votum, dass Kinder in ihrer Entwicklung eben nicht allein gelassen werden dürfen im Sinne eines „die lernen das alles von selbst“, sondern für ihre psychische und soziale Entwicklung unbedingt die Interaktion mit Erwachsenen brauchen, die Halt und Anleitung geben müssen (und damit aktive Lehrer und Eltern!), ist glasklar und nachvollziehbar. Ein hervorragendes Werk, dessen Lektüre jedermann (und -frau), dem/der auch in Zukunft an leistungsfähigen, empathischen und sozialkompetenten Menschen in unserem Land gelegen ist, unbedingt ans Herz zu legen ist. Und natürlich auch hilfreich zur eigenen (politischen) Meinungsbildung ist, wie es bei uns denn so weitergehen soll bzw. wie ich hier vielleicht selbst mal Einfluss nehmen kann.

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