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Babscha

Posted on 1.3.2020

Immer wenn ich in New York bin, komme ich irgendwann unweigerlich an dem modernen, aber doch eher unauffälligen Highrise im Schatten des One World Trade Center vorbei, das dem Unwissenden nirgends verrät, was sich hinter seiner Fassade verbirgt. Nämlich die Weltzentrale von Goldman Sachs, dieser legendären Investmentbank, um die sich mehr Mythen und Skandale ranken als um alle anderen dieser Sinnbilder von Gier und Geld. Greg Smith, der Autor des Buches, ist nach seinem Studienabschluss im Jahr 2000 dort eingestiegen, hat es mit Zähigkeit, vollem Einsatz und Köpfchen vom Rookie bis ins mittlere Management geschafft, um dann nach 12 Jahren desillusioniert ob der aus seiner Sicht zuletzt völlig unethischen und von ihm nicht mehr mittragbaren Geschäftspraktiken hinzuschmeißen. Diese hat er in 2012 zeitgleich mit seiner Kündigung mit einem international beachteten Brandbrief in der New York Times und im Anschluss mit diesem Buch ziemlich mutig angeprangert. In seinem Bericht gibt er dem interessierten Leser einen tiefen und hochinteressanten Einblick aus erster Hand über seinen Werdegang und seinen Alltag in dieser Firma und bettet das Ganze in die in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts mit dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 immer wieder eskalierenden Geschehnisse an den internationalen, hier insbesondere amerikanischen Finanzmärkten ein, in die Goldman Sachs regelmäßig verstrickt war. Ebenso erfährt man eine Menge Neuigkeiten aus den inneren Strukturen und Hierarchien einer Investmentbank, auch in der Abgrenzung zwischen deren amerikanischen und europäischen Niederlassungen, in denen völlig verschiedene Mentalitäten herrschen, wobei Smith gerade an den europäischen überraschender Weise kaum ein gutes Haar lässt. Insgesamt ein unbedingt lesenswertes, horizonterweiterndes Buch, welches die ganze Skrupellosigkeit und Gier der Branche nochmal offen auf den Punkt bringt und bei dessen Lektüre man beiläufig auch so einiges an Basiswissen aus der Welt der Hedgefonds, Futures und Derivate mitnehmen kann. Der Autor schreibt seinen Bericht im Großen und Ganzen fair und stringent, wenngleich er trotz seines eigenen über Jahre eingestrichenen, für Normalsterbliche exorbitanten Gehalts sich dann doch irgendwie zu sehr als Lichtgestalt der Aufrichtigkeit präsentiert, was einen leichten, aber aufgrund der Qualität des Buches vernachlässigbaren Beigeschmack erzeugt. P.S. Ein paar Sympathiepunkte kann bei mir zumindest der neue CEO von Goldman verbuchen, der unter dem Namen DJ D-Sol gar nicht schlechte Remixe bekannter Songs bastelt und diese in Clubs und auf Festivals hemdsärmelig performt.

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