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Babscha

Posted on 1.3.2020

Das neue Monumentalwerk eines begnadeten Erzählers. Diesmal geht es um die Geschichte einer geheimen, dubiosen Besteigung des Mount Everest im Jahr 1925. Neben weiteren, erst später dazu stoßenden Hauptcharakteren sind es drei Figuren, die das Ganze tragen und die der Leser in einem wahrlich epischen Handlungsvorlauf bis in alle Einzelheiten kennenlernt: Da ist der britische Adlige und Kriegsheld Richard Deacon, ein verschlossener, eigenbrötlerischer Charakter, der seine ganz eigenen Ziele verfolgt, dann der französische Topalpinist Jean-Claude Clairoux, aufgeschlossener, hellwacher Geist, immer bereit, seine Grenzen auszuloten, und zuletzt der eigentliche Erzähler des Buches, der Amerikaner Jake Perry, ebenfalls aus gutem Hause, leicht naiv und ebenso kletterbegeistert. Dieses Triumvirat wird in den politischen Nachkriegswirren der frühen Zwanziger von einer englischen Adligen beauftragt (und bezahlt), ihren Sohn, der im Vorjahr am Mount Everest unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen ist, zu finden und wenn möglich die Hintergründe seines Todes in Erfahrung zu bringen. Hier sehen die Drei natürlich die große Chance, sich gleichzeitig an der bislang ausstehenden Erstbesteigung dieses Berges zu versuchen und sagen zu, insbesondere, da zeitgleich in 1924 auch die beiden berühmten Engländer George Mallory und Andrew Irvine ebenfalls dort auf dem Weg zum Gipfel spurlos verschwunden sind. Simmons vermixt wie schon in der Vergangenheit auch in seinem aktuellen Buch wieder geschickt eine fiktive Story mit tatsächlichen historisch belegten Gegebenheiten und verliert sich neben der reinen Bergsteigergeschichte teils überbordend und bis in feinste Verästelungen beschrieben in einer wahrhaft phantastischen Erzählung. Der Leser wird über die Reisen und Expeditionsvorbereitungen der Protagonisten tief hineingezogen in die Welt eines politisch instabilen Europa in den Nachwehen des ersten Weltkriegs, eine Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus in Deutschland und ungebrochener Herrschaftsansprüche britischer Adliger an deren Kolonien. So interessant wie beklemmend. Die eigentliche Geschichte am Everest startet, typisch für die Erzählweise dieses Autors, erst nach etwa zwei Dritteln des Buches, dann aber mit solcher Vehemenz und Dichte, dass sie dem Leser den Pulsschlag hochtreibt, insbesondere in der akribischen Darstellung der lebensgefährlichen Begebenheiten direkt am Berg. Phänomenal auch, wie eingehend sich Simmons mit den Einzelheiten der aus heutiger Sicht völlig unzureichenden technischen Ausrüstung der damaligen Expeditionen befasst hat und sich hier einzudenken vermag. Da fröstelt man direkt mit. Und hier am Berg laufen dann auch zuverlässig alle Handlungsstränge zusammen und werden sämtliche offenen Enden aus der Vorgeschichte sauber und überzeugend und mit vielen unerwarteten Wendungen verknüpft und aufgelöst. Ein lesenwertes, überzeugendes Werk für sowohl historisch wie an der Welt der Berge interessierte Leser. Aufgrund der streckenweise ziemlichen Brutalität in den Schilderungen allerdings nichts für zarte Gemüter.

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