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Babscha

Posted on 29.2.2020

Harte Schale, harter Kern. So könnte man ihn kurzcharakterisieren, den Vater von John Burnside. Aufgewachsen ohne leibliche Eltern richtet er sich als Erwachsener recht bequem ein in seiner eigenen Welt aus Hirngespinsten und Fantastereien, in der er nicht auf seine tatsächliche erbärmliche Jugend in Waisenhäusern und den rauen Straßen kleiner Käffer im schottischen Outback, sondern auf eine glanzvolle Karriere in der Airforce und intakte Familienverhältnisse zurückblickt. Und diese Geschichten dann unentwegt einem staunenden Publikum, wie er überwiegend abgehalfterte Alkoholiker und Spinner in seinen Lieblingskneipen, zum Besten gibt. Nur zu Hause, da wartet seine Frau nebst Tochter und Sohn, an denen er sich nüchtern wie besoffen jahrelang bedingungslos abreagiert, die ganze Familie mit unablässigem Terror überzieht und sich hierbei besonders auf seinen Sohn fokussiert. Der Autor erzählt uns oberflächlich die ganze traurige Geschichte seiner Familie bis zum erlösenden Ende, wie man sie so oder ähnlich auch anderweitig schon mal gelesen hat. Was das Buch interessant macht, ist zum einen die starke, bildhafte Sprache (Lob an die Übersetzung!), zum anderen, wie sich Burnside hier selbst, zunächst aus der Sicht eines Kindes, später Heranwachsenden und letztlich Erwachsenen erlebt und immer in Wechselwirkung zu seinem Vater reflektiert, der ja sein gesamtes Leben überschattet. Ein intensiver Reifeprozess des Autors zieht sich durch die Seiten, in dem er zwar verständlicher Weise seinem lebenslangen Hass auf den Tyrannen verhaftet bleibt, mit fortschreitendem Alter und ungeachtet seiner eigenen späteren Säufer- und Drogenkarriere mit wiederholten Aufenthalten in der Psychiatrie dann aber immer stärker versucht, das innerste Wesen seines Vaters zu ergründen, zu begreifen, was diesen antreibt und warum dieser so ist, wie er ist. Und dies führt teilweise zum Erfolg. Hier gelingt jemandem der eigentlich undenkbare Spagat, nämlich aus einem Gefühl tiefster innerer Abneigung heraus Verständnis für eine Person zu entwickeln, sich selbst in ihr wieder zu erkennen und einzuordnen und ein unsichtbares Band dort zu spinnen, wo eigentlich keines sein darf. Insgesamt ein intensives, jedoch streckenweise aufgrund emotionaler Überfrachtung auch sehr anstrengend zu lesendes Buch.

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