Babscha
Denn während der Name zu Lebzeiten eines Menschen auf den Körper verweist, wo er sich aufhält, was er tut, löst der Name sich im Tode vom Körper und verweilt wieder bei den Lebenden, die mit dem Namen stets meinen, was der Mensch war, und nie, was er jetzt ist, ein Körper, der irgendwo liegt und verwest. Es ist im Sommer 1998, als Karl Ove Knausgard, der Autor des Buches, die Nachricht vom Tod seines Vaters erhält. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Yngve macht er sich deshalb noch einmal auf nach Kristiansand, seiner Heimatstadt an der norwegischen Küste, um die letzten Dinge seines Vaters zu regeln. Was er dort vorfindet, nämlich eine Tragödie der ganz besonderen Art, trifft ihn bis ins Mark und war wohl Grund genug, sich im vorliegenden Buch sowohl mit dem Thema Tod und Sterben allgemein wie auch mit seiner eigenen komplizierten Familiengeschichte, und hierbei insbesondere mit seinem ganz speziellen Verhältnis zu seinem Vater, intensiv auseinander zu setzen. Herausgekommen ist ein besonderer Roman, der schonungslos offene und ehrliche Lebensbericht eines Neununddreißigjährigen, der trotz gelegentlich ausufernder, eben ganz der persönlichen Erzählweise und Gedankenwelt des Autors zuzuschreibender Passagen wirklich zu fesseln vermag und den Leser völlig vereinnahmt. In der ersten Hälfte des Buches gibt Knausgard dem Leser zunächst einen Einblick in seine eigene Jugendzeit in einem ziemlich verkorksten Elternhaus, in dem seine Mutter sich bis zu ihrer letztendlichen Scheidung weitgehend zu ihrem Studium in eine andere Stadt zurückzieht und den jüngeren Sohn damit einfach bei seinem gefühlskalten, pedantischen und gleichgültigen Vater zurück lässt. Im zweiten Teil des Werks berichtet der Autor nach einem Zeitsprung über mehrere Jahre dann von den Geschehnissen nach dem Tod des Vaters, den Beerdigungsvorbereitungen, von der zwangsweisen temporären Wiederzusammenführung zweier ungleicher Brüder, die sich ebenfalls kaum noch etwas zu sagen haben und als Schicksalsgemeinschaft einfach nur schematisch agieren. Ohne jede Vorbehalte erschließt sich der Autor dem Leser Schritt für Schritt, zeichnet von sich das selbstkritische Bild eines sensiblen, empathischen Mannes voller innerer Zerrissenheit, der schwer an seiner Vergangenheit zu kauen hat, sie im Grunde nie abstreifen konnte und es erst ganz am Schluss am Totenbett seines Vaters schafft, mit seinem unguten inneren Ungleichgewicht von Hass, Wut und Trauer zumindest ansatzweise ins Reine zu kommen. Ich habe das Buch ausschließlich zu später Stunde und in völliger Stille gelesen. Zum Glück, denn so lässt sich die Intensität seiner Worte ganz besonders genießen.