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Babscha

Posted on 28.2.2020

Wenn man durch New York schlendert, stößt man immer wieder mal auf sie. Gruppen von Männern in langen schwarzen Mänteln, mit großen schwarzen Hüten, Bärten und den auffälligen Schläfenlocken. Ultraorthodoxe Juden. In einer sehr speziellen Ausprägung gibt es sie in der Gemeinschaft der chassidischen "Satmarer", einer im New Yorker Stadtteil Williamsburg beheimateten Sekte, die sich durch religiösen Fanatismus incl. teils menschenverachtender Begleiterscheinungen auszeichnet. Das Leben dort wird durch brachiale Gesetze und Vorgaben unter dem Diktat eines obersten "Rebbe" reglementiert, alles Tun und Lassen ist den Mitgliedern bis ins Kleinste vorgeschrieben. Das Denken ist komplett auf erwartete jenseitige Gerechtigkeit ausgelegt, weltliches Agieren wird (zumindest nach außen hin) vollständig abgelehnt und gesprochen wird ausschließlich Jiddisch. Die Männer studieren unablässig Talmud und Torah, den Frauen werden Bildungschancen und Selbstverwirklichung komplett versagt, sie sind ausschließlich dazu da, fürs Heim zu sorgen, es dem Manne recht zu machen und vor allem nach der üblichen obligatorischen Zwangsverheiratung im Alter von etwa achtzehn Jahren so viele Kinder wie möglich zu gebären. In diesem indiskutablen Umfeld ist die Autorin des Buches im Haus ihrer Großeltern, ungarischstämmigen gezeichneten Holocaustvertriebenen, aufgewachsen. Ihr geistig behinderter Vater und die Mutter, die bereits nach ihrer Geburt von jetzt auf gleich abgehauen war, konnten bzw. wollten keinen elterlichen Halt bieten, der Makel war also von klein auf da. Sie erzählt mal drastisch, mal sehr gefühlsbetont aus ihrem unerträglichen täglichen Leben und Aufwachsen zwischen diesen verblendeten Menschen, von ihren Ängsten, Zweifeln und Sehnsüchten, die sie belastet und geformt haben und ihrer von klein auf immer da gewesenen inneren Gewissheit, nicht dazuzugehören und eines Tages hier auszubrechen zu werden. Nach einer arrangierten perspektivlosen Ehe mit siebzehn mit dem schwierigen, unreifen Spross einer anderen Eifererfamilie, aus der dann ihr Sohn Isaac hervor geht, verlebt sie noch einige unerfreuliche Jahre vor Ort und schafft es dann irgendwann tatsächlich, über eine langwierige Scheidung, aus der sie zumindest das Sorgerecht für den Sohn erhält, mit der Vergangenheit komplett zu brechen. Heute lebt sie lt. eigener Aussage verwandelt und neu geerdet in Berlin. Der megainteressante und beeindruckende Lebensbericht einer wahrlich starken Frau, die sich nie wirklich hat unterkriegen lassen, der dem Leser aus erster Hand tiefste Einblicke in die Lebenswirklichkeit einer düsteren Welt gewährt, wie man sie keinem Kind wünschen möchte und in dieser extremen Ausprägung auch nicht direkt vis-a-vis des schillernden Manhattan erwarten würde.

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