eulenmatz
MEINUNG: Die Fliedertochter ist Teresa Simons vierter Roman. Bis auf den letzten habe ich alle gelesen. Ich finde es wunderbar, dass der Verlag bisher alle Bücher in der gleichen Art gestalten ließ. Man erkennt sofort, dass es die Bücher von Teresa Simon sind. Der Roman spielt wieder auf zwei Zeitebenen: 2018 verfolgen wir Paulina Wilke, wie auf den Spuren des Vermächtnisses ihrer mütterlichen Freundin Antonia in Wien wandelt. Außerdem kommt diesmal noch ihre Mutter Simone dazu, die mit einer Freundin auf dem Pilgerweg in Italien wandelt, der eng an die Erinnerung einer Freundin von Simone geknüpft ist. In der Vergangenheit begleiten wir die junge Jüdin Luzie Kühn, die 1938 von Berlin nach Wien zieht, da es für Juden zu dieser Zeit in Berlin schon schwierig wird. Der historische Teil ist wieder erstklassig recherchiert. Ich fand es äußerst spannend zu erfahren, wie diese schlimme Zeit für die Wiener erlebt worden ist. Die Autorin knüpft ihre Erzählung eng an die geschichtlichen Ereignisse. Gepaart ist das ganze außerdem mit viel lokalen Eindrücken. Man spaziert quasi imaginär durch Wien und erfährt sehr viel über diese schöne Stadt an der Donau. In Teresa Simons Bücher mochte bisher meistens immer die Frau im Vergangenheitsteil lieber. Diesmal war es umgekehrt. Mit Paulina konnte ich mich diesmal besser identifizieren bzw. anfreunden als mit Luzie. Paulina fast nicht sofort Vertrauen zu jedem, sondern ist erstmal etwas zurückhaltender, auch was ihre Privatleben angeht. Vor allem als sie in Wien eintrifft und bei der Familie Brunner wohnen darf, die ihr das Tagebuch von Luzie aus dem Nachlass von Lena Brunners Vaters gibt, welches sie dann beginnt zu lesen. Sie weiß was sie will und hat als eine Art Raumgestalterin einen wirklichen spannenden Job. Man merkt manchmal, dass sie ihren Platz im Leben noch nicht so ganz gefunden hat und dass sie noch auf der Suche ist. Das mochte ich. Luzie dagegen empfand als äußerst überschwänglich, impulsiv und vor allem manchmal wirklich naiv. Luzie hat früh ihren Eltern verloren und wuchs mit bei Großeltern mütterlicherseits in Berlin auf. Offiziell ist sie allerdings von ihrer Tante Marie in Berlin als deren Tochter eingetragen und damit nicht offiziell Jüdin. Luzie setzt diesen Schutz aber ziemlich häufig aufs Spiel, besonders dann als es wirklich brenzlig wird und bringt sich und andere damit in Lebensgefahr. Beim Lesen hat mich das wirklich häufig aufgeregt, wie sie so handeln konnte. Es braucht ganz lange bis sie das endlich versteht und anfängt vorsichtiger zu sein. Die Liebesgeschichte fand ich auch schwierig, denn ihr Herz schlägt nicht nur für Bela. Ich konnte ihr Handeln hier nicht nachvollziehen. Ich finde generell wird hier über einige zwischenmenschliche Konflikte (in beiden Zeiten) sehr schnell hinweg gegangen, was nicht besonders realistisch und teilweise überzogen finde. Hier kommen viele Sachen ans Tageslicht, für die manch einer erstmal Zeit zum Verdauen braucht. Besonders am Ende als alles auf einmal rauskommt, was diesmal für mich recht schnell vorhersehbar war, wird den Charakteren keine Zeit gegeben sich mit den neuen Bekenntnissen vertraut zu machen. Aufbegehren dagegen wird schnell im Keim erstickt. FAZIT: Wer die Romane von Teresa Simon bereits kennt, wird bei Die Fliedertochter auf altbekanntem Muster treffen: Zwei junge Frauen, zwei unterschiedliche Zeiten, ein Tagebuch und sehr gut recherchierter historischer Hintergrund. Die Geschichte war wie immer sehr unterhaltsam, spannend, aber für leider diesmal auch vorhersehbar. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.