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lovely_girl

Posted on 28.2.2020

Mit „Die Gerechte“ wurde ich ein großer Fan von Peter Swanson und seinen Werken. Die Art, wie er die Gedanken des Lesers manipuliert und ihn ständig in die Irre führt, ist einfach großartig. Aus dem Grund musste ich sein neustes Werk lesen -ohne überhaupt zu wissen, worum es geht. Wir lernen den 22jährigen Harry Ackerson kennen, der nach seinem College nach Maine fährt, um seinen Vater, der durch „Zufall“ stürzte und verstarb, zu beerdigen. Auf der Beerdigung sieht er eine junge Frau, die ihm unbekannt ist. Daraufhin wird er den Gedanken nicht los, dass der Tod seines Vaters doch kein Zufall sei und er die Unbekannte finden muss. Obwohl Harrys Mutter früh starb, hat er eine letzte Angehörige: seine Stiefmutter, Alice. Alice ist Mitte dreißig und bildschön. Sie ist froh, in der schwierigen Zeit ihren Stiefsohn um sich zu haben. Doch sie hütet viele Geheimnisse, die niemals ans Licht kommen dürfen… Es tauchen hier viele unterschiedliche Charaktere auf und jeder hütet ein Geheimnis, welches nach und nach gelüftet wird. Die Handlung wird einmal aus der Vergangenheit von Alice erzählt und der Gegenwart von Harry. So erfährt man, wie Alice zu dem Menschen geworden ist, der sie nun ist. Als Leser lernt man die Protagonisten von klein auf kennen. Angefangen damit, wie sie aufgewachsen sind, bis hin zu dem, was aus ihnen geworden ist. Harry ist ein wahnsinnig kluger Protagonist, der vieles hinterfragt und sehr misstrauisch ist. Das Leid, welches er durchmacht, hat der Autor gut zur Geltung gebracht. Ich konnte mich gut in seine Situation hineinversetzen. Jedoch gab es eine Szene, die ich als fragwürdig und unbedacht empfand. Das hatte meine Sicht auf Harry ins Wackeln gebracht. Nichtsdestotrotz war er sehr ausdrucksstark. Alice wirkt für mich schon von Anfang an nicht wie die trauernde Witwe. So wie man den Autor kennt, weiß man, dass er seine weiblichen Protagonisten nicht als naiv und harmlos darstellt. Sie war eine ekelerregende Persönlichkeit. Obwohl ich sie verabscheute, interessierte sich mich weiterhin. Ich wusste, dass der Autor noch nicht mit ihr fertig ist und das hat sich dann bestätigt. Er hat immer eine Schippe drauf gehauen. Jedoch muss ich sagen, dass sie sehr blass beschrieben wurde. Da hat mir die düstere Atmosphäre, die sie anfangs ausstrahlte, im Verlauf der Handlung gefehlt. Peter Swanson spricht hier ein heikles Thema an, welches ich nicht in einem Thriller zuvor gelesen habe. Am Anfang musste ich schlucken, doch dann war man ironischer Weise in der Story drin und wollte wissen, wie es mit den Protagonisten weitergeht. Die Geschichte wird hier aus der dritten Perspektive erzählt. Zwar würde ich mir die Ich-Perspektive wünschen, aber der Autor konnte die Emotionen auch so gut vermitteln. Der Schreibstil war locker und flüssig. Andererseits musste ich mich mit dem Anfang schwer tun. Zeitweise war es sehr langatmig und hier und da tauchten unnötige Wiederholungen auf. Die Vater-Sohn-Beziehung war anfangs interessant, doch es wiederholte sich ununterbrochen. Zudem gab es zwischenzeitlich vorhersehbare Momente und erst zum Ende hin unerwartete Wendungen. Nach ungefähr 100 Seiten hat der Autor das Ruder gewendet und die Spannung stieg immer mehr an. Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen, denn mich interessierte die wahre Identität vieler Protagonisten und in meinem Kopf schwirrten zu viele Fragen, die endlich beantwortet werden wollten. Die Kapitel endeten stets mit einem Cliffhanger, so dass ich nicht aufhören konnte. Das Ende war merkwürdig und ich habe mir ein anderes gewünscht, aber so kennt man Peter Swanson: Er gibt dem Leser nie das, was er erwartet. Fazit: Über dieses Buch kann man lange diskutierten. Ob nun der Handlungsverlauf, die Thematik, die Protagonisten oder das Ende. Alles war sehr speziell und über unsere Normwerte hinaus. Abgesehen von einigen Kritikpunkten, konnte mich das Buch fesseln.

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