eulenmatz
MEINUNG: Ich habe bereits beiden voran gegangen Bücher von Han Kang gelesen: Die Vegetarierin und Menschenwerk. Ersteres hat mich gleichzeitig fasziniert und abgestoßen und gerade deswegen sehr begeistert. Menschenwerk fand ich ganz in Ordnung. Konnte mich aber nicht ganz so begeistern. Umso gespannter war ich nun auf Deine kalten Hände. Alles beginnt mit der Schriftstellerin H., die eines Abends den Bildhauer Jang Unhyong kennenlernt und mir ihm ins Gespräch kommt. Wochen später meldet sich Unhyongs Schwester bei ihr, weil er spurlos verschwunden ist und ein Manuskript/ Tagebuch hinterlassen hat, welches H. bitte lesen soll, um so herauszufinden, wo Unhyong stecken könnte. Später wird klar, dass Unhyongs Schwester ihn einfach zu wenig kennt, um zu wissen, wo er sein könnte. H. ist einer seiner letzten Kontakte. Unhyong ist ein spezieller junger Mann (am Ende des Buches ist er um die 40), aber man erfährt ganz genau, warum, denn Unhyong beschreibt sein ganzes Leben, angefangen mit seiner Kindheit und der Familienkonstruktion. Man merkt schnell, dass er ein stückweit in seiner eigenen Welt lebt und vor allem, dass er damit zufrieden ist, was er tut. Er wirkt für Außenstehende recht emotionslos, aber ich hatte den Eindruck, er hat seine ganze eigene Sicht auf die Dinge. Zum Teil war es auch einfach erfrischend, wie er an vieles einfach pragmatisch heran gegangen ist und weniger emotional gesteuert war. Für seine Arbeit als Bildhauer sucht Unhyong immer neue Modelle und trifft eines Tages auf L. ich glaube, dass mit den abgekürzten Buchstaben soll wirklich so sein und ist keine Freiheit der Übersetzerin. Durch die Abkürzung des Vornamens wirken die Personen recht austausch- und unnahbar, aber dass ist keineswegs immer so, denn L. ist wichtige Frau in Unhyongs Leben. Liebe würde es nicht nennen, aber sie ist für ihn zunächst als Modell von großem Interesse. L. ist zunächst stark übergewichtig bis Unhyong sie wieder trifft: Schlank, aber mit nicht weniger Problemen behaftet. Es wird bildhaft beschrieben wie L. sich permanent selbst zerstört. Unhyong bietet ihr einen Unterschlupf und auch Hilfe an. Was und wie viel sie ihm bedeutet kann nicht so richtig benennen. Es ist faszinierend, wie die Arbeit von Unhyong geschildert wird und wie das auch für seine Modelle, vor allem Frauen ist. Unhyong ist definitiv nicht an „normalen“ Modellen interessiert, sondern ist eher von den menschlichen Makeln angezogen. Ich glaube, es gibt kaum einen Menschen, der vorurteilsfreier sein könnte als Unhyong. Ich habe häufig den Eindruck, dass Koreaner, zumindest die geschilderten in Han Kangs Büchern, immer sehr angepasst leben, aber unter der Oberfläche brodelt es gewaltig und wenn es hier mal zum Ausbruch kommt, dann tun sich große menschliche Abgründe auf. Man muss das wohl mögen. 😊 FAZIT: Von allen Büchern von Han Kang ließ sich dieses am leichtesten lesen, wenn das so formulieren kann. Natürlich gibt es hier auch sehr (selbst-)zerstörerische Phasen der Charaktere, aber die Geschichte springt nicht so sehr wie in Menschenwerk und Die Vegetarierin. Hier ist ein roter Faden erkennbar und die Geschichte kommt zu einem relativ zufriedenstellenden Ende, fast schon ungewöhnlich für die Autorin. Ich würde es als gutes Einstiegsbuch empfehlen, wenn man die Autorin kennenlernen möchte. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.